Motiv des Massakers : Was trieb den Täter von Orlando wirklich an?
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Trauer um die Opfer von Orlando bei einer Veranstaltung in Los Angeles Bild: AFP
Drei Tage nach dem Massaker in Orlando werden weitere Details über den Täter bekannt. Zeugen berichten, Omar Mateen sei seit drei Jahren regelmäßig Gast im „Pulse“ gewesen und habe Profile auf Dating-Apps für Schwule gehabt.
„Er kam seit Jahren hier her. Man kannte ihn.“ Das sagt Cord Cedeno, häufiger „Pulse“-Gast, über den Mann, der in dem Club in der Nacht zum Sonntag 49 Menschen tötete und 53 weitere verletzte, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde. Die Lokalzeitung „Orlando Sentinel“ berichtet das und beruft sich außerdem auf weitere Zeugen, die Mateen in dem Schwulen- und Lesbenclub „Pulse“ bereits gesehen haben wollen, manche von ihnen schon seit drei Jahren. Unter ihnen ist auch Ty Smith, der dem „Orlando Sentinel“ sagte, er habe Mateen mindestens ein Dutzend Mal dort angetroffen: „Manchmal saß er in der Ecke und trank alleine, andere Male war er so betrunken, dass er laut wurde und streitlustig.“ Den anderen Gästen habe er von seiner Frau und seinem Kind erzählt, manchmal auch von seinem Vater.
Mit einem anderen Stammgast des „Pulse“, Kevin West, habe Mateen ein Jahr lang immer mal wieder über die Schwulen-Datingapp „Jack'd“ gechattet, berichtete dieser im Gespräch mit der „Los Angeles Times“. Auch bei den Schwulenapps „Grindr“ und „Adam4Adam“ hatte Mateen laut Medienberichten ein Profil. Getroffen hätten sich West und Mateen allerdings nie – bis zur Stunde vor dem Attentat.
Um ein Uhr morgens habe West Mateen vor dem Club gesehen, als er einen Freund dort absetzte. West habe Mateen erkannt, der eine schwarze Kappe trug und ein schwarzes Handy bei sich hatte. Die beiden hätten sich knapp begrüßt. Es wird das letzte Mal sein, dass sie sich begegnen. Eine Stunde später eröffnet Mateen das Feuer im Nachtclub.
„Für alle schockierend, weil wir ihn da schon gesehen haben“
Bereits 2006 habe Mateen einen Klassenkameraden der Polizeiakademie gefragt, ob er mit ihm ausgehen wolle, schreibt der lokale Fernsehsender „WFTV9“ auf seiner Internetseite unter Berufung auf den Kameraden, der allerdings anonym bleiben wolle. Chris Callen, ebenfalls Stammgast im „Pulse“ und verheiratet mit Ty Smith, sagte der Zeitung „New York Daily News“, Mateen habe im Club mit anderen Männern geredet und getanzt, er schien ungezwungen. In der Nacht des Massakers waren Callen und Smith nicht im „Pulse“ – zwölf ihrer Bekannten sind in der Nacht getötet worden. „Es ist für alle schockierend, weil wir ihn da schon gesehen haben,“ sagt Callen.
Mateen habe sich in den Wochen vor der Tat auch andere Schwulenclubs angeschaut, vielleicht als potentielles Anschlagsziel. Das berichtet die „Los Angeles Times“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Demnach soll auch Disney Land, der Vergnügungspark in Florida, für den Täter in Frage gekommen sein. Laut FBI-Informationen soll Mateen den Park in den vergangenen Monaten des Öfteren besucht haben, es sei klar, dass die Besuche mehr als nur touristischen Ursprungs gewesen sein.
Auch am dritten Tag nach dem Massaker in Orlando, das die amerikanische und internationale Gesellschaft in Atem hält und den nächsten Präsidentenwahlkampf mitentscheiden dürfte, kommen weitere Details zum Tatmotiv und zur Psyche des Täters ans Licht. Noch während der Tat hat der Täter seine Treue zur Terrormiliz „Islamischer Staat“ am Telefon verkündet. Dazu häufen sich nun die Berichte von Menschen, die den Täter kannten, ihn als Schwulenhasser erlebt haben, oder als Teil der Schwulenszene. Bei der Suche nach dem Motiv des Täters wird in alle Richtungen ermittelt.
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Wieder verheiratet, ein gemeinsamer Sohn
Dass der Schwulenhass zumindest mitschwingt im Nebel, der aktuell noch um die Tat und ihr Motiv liegt, war früh klar. Der Vater des Täters, Seddique Mateen, hatte sich bereits am Sonntag beim TV-Sender „NBC News“ gemeldet, sich für die Tat seines Sohnes entschuldigt und von einer Szene berichtet, die zeigt, was sein Sohn von Schwulen hielt. Die Familie habe am Strand zwei sich küssende Männer gesehen, daraufhin sei Omar Mateen „sehr wütend“ geworden. Mit Religion habe die Tat nichts zu tun gehabt, sagte Seddique Mateen. Aber Selbsthass, weil er vielleicht schwul ist? Sein Sohn sei kein Homosexueller, sonst hätte er das nicht getan, sagte Mateen am Montag. In einem Facebook-Video von Montag sagte Seddique Mateen weiter, dass Gott diejenigen bestrafen würde, die homosexuell seien.
Führte der Täter ein Doppelleben, das ihn letztendlich zur Tat trieb? Mateen hatte, nachdem seine erste Ehe nach nur wenigen Monaten gescheitert war – seine Ex-Frau sagt, er habe sie geschlagen – wieder geheiratet. Seine zweite Frau bekam von ihm einen Sohn, der inzwischen drei Jahre alt ist. Ob sie von der Tat wusste und wie das Familienleben Mateens vor dem Massaker aussah, ist nicht bekannt. Die Ex-Frau des Täters zeichnet von ihm allerdings das Bild eines Verrückten und nicht das eines religiösen Extremisten. Während der Ehe sei er ihr nicht als besonders religiös vorgekommen. Andere ehemalige Bekannte des Täters berichten, Mateen habe sich nach den Anschlägen des 11. Septembers erfreut gezeigt und gejubelt.