Kommentar : Pariser Begegnungen
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Der neugewählte französische Präsident ist der Partner, den sich die Bundesregierung gewünscht hat. Doch Macron wird nicht nur brav die Wunschliste Berlins abarbeiten.
Zunächst die deutsche Kanzlerin und ihre Minister, dann der amerikanische Präsident: Emmanuel Macron, der neugewählte Präsident Frankreichs, hatte am Donnerstag reichlich Gelegenheit zu Umarmungen, Küsschen und Händeschütteln – und zur Selbstdarstellung als entschlossener Reformer, tatkräftiger Europäer und verlässlicher Partner über den Atlantik hinweg. Man kann annehmen, dass er es genoss, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. Aber daran knüpfen sich auch große Erwartungen, vor allem die, dass es ihm gelingen möge, Verkrustungen etwa auf dem Arbeitsmarkt aufzubrechen, den Staat zu verschlanken – was Haushaltsdisziplin einschließt – und, ganz generell, in Frankreich eine neue Dynamik in Gang zu setzen. Und in der Europäischen Union.
Die Bundesregierung sieht in Macron den Partner, den sie so lange hat entbehren müssen. Die Jahre mit den Vorgängern Hollande und Sarkozy waren von Stillstand und von Sprunghaftigkeit geprägt. Während Frankreich wirtschaftlich den Anschluss verlor, zog die deutsche Wirtschaft davon; die politische Stellung Deutschlands in der EU wurde immer größer. Sie wird heute vielfach als Dominanz wahrgenommen. Für die europäische Statik ist das alles andere als gut, und so wundert einen die Begeisterung für Macron auch nicht.
In Paris sprach die Bundeskanzlerin von einem „neuen Elan“, der die bilaterale Zusammenarbeit erfassen und der auch die EU stärken solle. Tatsächlich ist seit Macrons Wahl die Metapher vom deutsch-französischen Motor wieder in Mode gekommen, der jetzt wieder in Gang komme. Angesichts der vielen Krisen und Belastungen, Stichwort Brexit, muss er auch in Gang kommen.
Aber selbst wenn der junge Präsident der neue Liebling ist, so heißt das nicht, dass der brav die Wunschliste Berlins abarbeitet und selbst keine Ansprüche anmelden wird. Macron richtet ebenfalls Erwartungen an Deutschland: was die militärische Zusammenarbeit, zum Beispiel in Afrika, und die finanzielle Entlastung Frankreichs dabei anbelangt; was die Fortentwicklung der Währungsunion betrifft. Nicht alle französischen Vorschläge zur Zukunft der Eurozone dürften in Berlin bejubelt werden. Aber Macron ist der Partner, den man sich gewünscht hat – und dem man nicht von vornherein jeden Wunsch wird abschlagen können. Auf Macron, schon als Retter gefeiert, ruhen freilich die größten Erwartungen.