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Leistungsschutzrecht : Google-Imperialismus

  • -Aktualisiert am

Leistung muss sich wieder lohnen - doch was sagt Google dazu? Bild: AFP

In der Debatte um das Leistungsschutzrecht tarnt Google die eigenen Geschäftsinteressen als Allgemeinwohl. Der Konzern fürchtet um sein Monopol und sein intransparentes Geschäftsmodell.

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          Wer dieser Tage die Maske des Suchmaschinenkonzerns Google aufruft, und das tun in Deutschland jeden Tag Abermillionen Menschen, wird aufgefordert, sich politisch zu betätigen. „Willst Du auch in Zukunft finden, was Du suchst? Mach’ mit: Verteidige Dein Netz“, heißt es dort. Betätigen sollen sich die Nutzer, indem sie Kontakt zu den Bundestagsabgeordneten aufnehmen, um gegen das Leistungsschutzrecht zu protestieren, das nach Ansicht des amerikanischen Konzerns die Freiheit im Internet bedroht. Angeregt wurde die gesetzliche Verankerung eines Leistungsschutzrechts von den Verlagen, die sich im Internet um ihr Hab und Gut gebracht sehen, auch weil andere - vor allem Google - mit ihren Inhalten Geschäfte machen. Im Bundestag wird heute über das Leistungsschutzrecht debattiert.

          Würde Google zu diesem Thema schlicht seinen Standpunkt formulieren, hätten wir es mit dem in der Demokratie üblichen Meinungskampf zu tun. Die Verlage vertreten ihre Sache, Google die seine. Nur läuft es in diesem Fall anders. Der amerikanische Konzern verkleidet sein Geschäftsinteresse, das zu einem großen Teil darauf beruht, die Inhalte anderer im Internet zugänglich zu machen, als Allgemeinwohl und redet den Nutzern ein, sie fänden im Internet nicht mehr, was sie suchen, wenn der Leistungsschutz zum Gesetz wird. Doch ist das eine grobe Irreführung, wenn nicht Hetze. Die Verlage wären schlecht beraten, würden sie ihre Inhalte im Internet nicht zugänglich machen. Sie leben von der Aufmerksamkeit ihrer Leser. Den Pressehäusern geht es darum, dass diejenigen, die ihre Stücke für das eigene Geschäftsmodell verwenden, dafür bezahlen. Was dem Konzern Google, der auf dem deutschen Markt einen geschätzten Jahresumsatz von drei und einen geschätzten Jahresgewinn von zwei Milliarden Euro macht, nicht gefällt.

          Kostenloskultur im Internet

          Es geht also zunächst um eine wirtschaftspolitische Frage. Die allerdings erhält eine besondere Bedeutung durch die Rolle, welche die Zeitungen und Zeitschriften bei der Konstituierung einer demokratischen Öffentlichkeit spielen. Sie sind ein entscheidender Faktor der politischen Meinungsbildung und müssen sich, da sie, anders als der durch Zwangsgebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk, mit dieser Aufgabe auch noch am Markt behaupten. In der analogen Welt geschieht dies unter immer größeren wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch den Verkaufspreis, den die Leser bezahlen und die Anzeigenkunden. Im Internet mit seiner Kostenloskultur ist das ungleich schwieriger, auch hier findet die Presse Leser zuhauf, aber wenig Bereitschaft, für die Lektüre zu zahlen.

          Daran wird auch ein Leistungsschutzrecht nichts ändern. Doch hätte die Presse damit einen Anspruchstitel in der Hand, mit dem sie Google entgegentreten könnte. Und das Beispiel macht Schule, in Frankreich wird ein Leistungsschutz für Verlage im Internet nach dem möglichen deutschen Vorbild schon diskutiert.

          Google als Synonym für das freie Internet?

          Genau darum ist Google alarmiert und lässt seine Muskeln spielen, betreibt massiven Lobbyismus, unterstützt Initiativen im Internet finanziell und stiftet Lehrstühle. Google fürchtet um sein Monopol und um sein vollkommen intransparentes Geschäftsmodell. Niemand kennt den Algorithmus, der die Reihenfolge der Google-Suchmaschine bestimmt, niemand weiß, welchen Anteil vom Erlös das Unternehmen den Partnern seines Anzeigenprogramms zubilligt. Nichts fürchtet der Konzern mehr als die Forderung nach Transparenz und die Frage nach seiner Meinungsmacht, die größer ist als die aller anderen Medienkonzerne.

          Damit die Bundestagsabgeordneten auf diese Frage gar nicht kommen, animiert Google seine falsch informierten Nutzer zum „Shitstorm“, also jener Form der Auseinandersetzung, bei der allein der Druck der Masse nicht aber die Qualität des Arguments zählt -, eine Strategie der Überwältigung, nicht der Überzeugungsarbeit. Zu dieser passt, dass Google bei jeder sich bietenden Gelegenheiten das Hemd wechselt. Wird Kritik an den transportierten Inhalten geübt, will der Konzern nur Überbringer sein, geht es darum, regulatorische Ansprüche des amerikanischen Staates abzuwehren, beruft sich das Unternehmen auf den ersten Zusatzartikel der Verfassung, der die Pressefreiheit schützt und geriert sich plötzlich selbst als Verleger. Und um die deutsche Debatte abzuwürgen, gibt sich Google einfach mal als Synonym für das freie Internet aus.

          Leistung anderer ohne Entgelt ausbeuten

          Den Leistungsschutz, wie er deutschen Verlagen vorschwebt, muss man bei alledem genau prüfen. Er sollte und wird sich nicht gegen Blogger und kleine Nachrichtenaggregatoren richten, die sich mit den Beiträgen der Presse auseinandersetzen. Die Verlage schadeten sich, würden sie flächendeckend die berüchtigten Abmahnanwälte aussenden, mit denen schon die Musikindustrie für schlechte Stimmung beim Publikum sorgt.

          Dem Aberwitz der jetzigen Google-Kampagne nimmt das nichts. Bliebe Google unbehelligt, setzte sich der Siegeszug des Silicon-Valley-Kapitalismus fort, der darin besteht, die Leistung anderer ohne Entgelt auszubeuten. Es ist Zeit, über Google zu reden.

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