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NSU-Prozess : Volleyball und Taschengeld

Privilegien im Gefängnis: Nebenklägervertreter kritisieren den milden Umgang mit Beate Zschäpe. Bild: dpa

Seit fast vier Jahren lebt Beate Zschäpe im Gefängnis. Die Hauptangeklagte im NSU-Verfahren gilt als unauffällige Gefangene. Doch nun gibt es Kritik an Privilegien, die sie dort genießt.

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          Es beginnt eigentlich ganz gut für Beate Zschäpe an diesem 350. Verhandlungstag im NSU-Verfahren. Eine Abteilungsleiterin der Justizvollzugsanstalt (JVA) München schildert sie am Mittwoch vor Gericht als „höfliche, freundliche, gut integrierte“ Untersuchungsgefangene, die vielleicht zu viel „Privates“ in ihrem Haftraum ansammelt, aber außer „mehr Volleybällen“ keine ausufernden Wünsche hat. „Es gab bislang keine besonderen Vorkommnisse.“ Seit 2013 ist Beate Zschäpe in der JVA, viel länger als die meisten weiblichen Gefangenen dort, die oft nur kurze Freiheitsstrafen zu verbüßen haben. Sie spielt, wie die Zeugin berichtet, während der Hofgänge gerne Volleyball, besucht ab und zu eine Lesung, ein Konzert oder die Bastelrunde und war auch schon mal im Weihnachtsgottesdienst.

          Karin Truscheit
          Redakteurin im Ressort „Deutschland und die Welt“.

          Der Eindruck von der kreuzbraven Gefangenen gerät jedoch ins Wanken, als Nebenklägervertreter Sebastian Scharmer nachfragt, von wem Beate Zschäpe, die in der Haft nicht arbeiten darf, denn regelmäßig Geld überwiesen bekomme. Neben zwei Angehörigen nennt die Abteilungsleiterin der JVA auch eine Person namens „Enrico K.“. Diese Personen überweisen ihr demzufolge regelmäßig „mal einhundert, mal zweihundert Euro“. Offenbar handelt es sich um denjenigen Enrico K., der auf Twitter „Freiheit für Bea!“ fordert, sie als „unschuldig“ und seine „First Lady“ bezeichnet und am Valentinstag 2015 ein rotes Herz mit dem Bild Zschäpes darin postete. Zudem spreche dieser Enrico K., worauf Nebenkläger sofort hinweisen, in sozialen Medien von „Lügenpresse“ und äußere sich abfällig über Flüchtlinge. Enrico K. verwies zudem 2015 auf den inzwischen eingestellten rechten Internetdienst „Netzplanet“ und einen „offenen Brief“ an Bundeskanzlerin Angela Merkel zu der Frage, warum sie „das deutsche Volk“ verachte. Auf der Internetseite wurden Asylbewerber als „Kulturbereicherer“ verhöhnt und angebliche Angriffe von Migranten behauptet.

          Als „unfair“ bezeichnet daraufhin Zschäpes Verteidiger Wolfgang Stahl diese Anschuldigungen in einem eher hilflosen Verteidigungsversuch. Schließlich, so Stahl, habe Zschäpe ja in der Haft „keinen Internetzugang“ und wisse vielleicht gar nicht, wer Enrico K. genau sei. Beate Zschäpe hatte vor Wochen erst erklärt, dass sie sich vom rechten Gedankengut entfernt habe.

          „Geschickte und bauernschlaue Kommunikatorin“

          Für Nebenklägervertreter Thomas Bliwier scheint die Einordnung der Zeugenaussage dagegen klar: Beate Zschäpe werde „alimentiert“ von jemanden, der offenbar einer rechten Ideologie anhänge. „Wenn das wirklich der Enrico K. ist, dann kann man alles das, was sie über ihre Abkehr von der rechten Szene gesagt hat, vergessen.“ Beate Zschäpe, das führt die Zeugin zudem aus, nehme im Haftalltag aufgrund ihres Falles durchaus eine gewisse „Prominenz“ oder „Sonderstellung“ ein. „Aber eher, weil sie eben schon so lange da ist.“ So kann die Beamtin auf Nachfragen der Nebenklägervertreter weder bestätigen, dass Zschäpe eine „Einzelzelle der Oberklasse“ habe, noch, dass sie in „Military-Kleidung“ herumlaufe oder andauernd Streit mit anderen Frauen suche. „Frau Zschäpe hat eine ganz normale Einzelzelle. Und sie trägt ihre Privatkleidung wie alle anderen auch.“ Von Streitigkeiten mit anderen Frauen wisse sie nichts. Nur einmal habe eine Mitgefangene hinter Beate Zschäpe auf den Boden ausgespuckt. „Das hat Frau Zschäpe uns dann gemeldet.“ Diese Frau sei danach „vorsorglich“ in eine andere Abteilung verlegt worden. An einer Aktion von ein paar Frauen, die sich mit Mehl beworfen hätten, sei Zschäpe nicht beteiligt gewesen. Auch hat es bislang keine Disziplinarmaßnahmen gegen Beate Zschäpe gegeben. Beschwert hat sich offenbar noch niemand über sie, besucht wird sie ab und zu von Angehörigen und einer Desirée K. „Frau Zschäpe“, so fasst es die Beamtin zusammen, „akzeptiert unsere Entscheidungen.“ So auch, als ihr im Jahr 2015 in zwei Gesprächen nahegelegt wurde, ihren Haftraum „übersichtlicher“ zu gestalten. „Wir kontrollieren alle Räume regelmäßig. Da darf sich dann nicht zu viel private Habe ansammeln, sonst können wir uns keinen Überblick verschaffen.“ Beate Zschäpe habe ihre Argumente „sachlich“ dargelegt, warum sie „mehr braucht als andere Gefangene“, sich letztlich aber den Anordnungen gefügt. „Sie hat dann ihre Habe deutlich reduziert.“ „Rechte Literatur“ habe man bei den Kontrollen nicht sichergestellt.

          Für Nebenklägervertreter Mehmet Daimagüler untermauert gerade diese Zeugenaussage die Anklage: Beate Zschäpe zeige sich nun auch in der Haft – wie zuvor in ihrem Zusammenleben mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos – als „geschickte und bauernschlaue Kommunikatorin“. „So hat sie ja auch früher schon den äußeren Schein gewahrt.“

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