
Normalisierung weit entfernt
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Erdogan bei seiner Ankunft vor der Ditib-Moschee in Köln. Bild: AFP
Was hat der Staatsbesuch von Erdogan gebracht? Ihn von seiner zur Autokratie lehnenden Linie abzubringen, wird schwierig sein. Ein Kommentar.
Was hat der umstrittene Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Erdogan gebracht? Das Kalkül von Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel war, zunächst mit dem schwierigen Gast zu sprechen, ihm dabei den Prunk des Staatsbesuchs zu bieten und ihn vom Ernst der Lage in der Türkei zu überzeugen. Also davon, dass er Änderungen an seiner Politik vornehmen muss. Erst an Erdogans Handlungen wird abzulesen sein, ob bei ihm tatsächlich ein Denkwandel einsetzt. Erdogans Staatsbesuch war ein Zeichen von Realpolitik. Als Erdogan 2003, noch als Ministerpräsident, die Nähe zur EU suchte, war seine Politik an Werten orientiert – wie auch die Brüssels. Diesen Pfad hatte die Türkei unter Erdogan verlassen, der immer autokratischere Züge annahm und gerade gegenüber Deutschland auf Konfrontationskurs ging. Heute haben beide Seiten wieder ein Interesse an guten Beziehungen, selbst wenn eine Normalisierung weit entfernt erscheint. So braucht die Türkei eine starke Stütze, um die selbst verschuldete wirtschaftliche Talfahrt zu beenden. Deutschland wiederum setzt auf die Türkei als Stabilitätsanker und Puffer gegen die Kriege im Nahen Osten, zudem als Partner in der Flüchtlingsfrage.
Wer die Türkei stabilisieren will, muss mit Erdogan sprechen. Ihn zu boykottieren bringt nichts. Ein Versuch ist es daher wert, ihm zu versichern, dass er in Deutschland einen Partner findet, wenn er seine Politik ändert. Denn Erdogans Politik schränkt Freiheiten ein. Und die Wirtschaftskrise war ausgelöst worden, weil die Märkte kein Vertrauen in sein Präsidialsystem haben, in dem eine Person alles kontrolliert und über alles entscheidet.
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