
Kommentar : Die Karawane
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Die Standpauke Peer Steinbrücks über „Karawanen-Kapitalismus“ bei Nokia und anderen Konzernen muss präzisiert werden: Denn es ist zu fürchten, dass durch die Nokia-Wut ein politisches Lager profitiert, das dem Sozialismus immer noch näher steht als dem Kapitalismus.
Die Standpauke Peer Steinbrücks, dass Konzerne doch wissen müssten, dass sie mit einem „Karawanen-Kapitalismus“ das Gesellschaftsmodell unterminierten, dessen Vorzüge sie ausnutzten, verdient eine Präzisierung. Nicht in der Sache - Steinbrück würde natürlich nicht so reden, solange die Karawane nur nach Deutschland zöge.
Wohl aber in ihrer psychologischen oder populistischen Tiefe. Denn zu fürchten steht, dass durch die Nokia-Wut, die sich nun ausbreitet, tatsächlich ein politisches Lager profitiert, das dem Sozialismus immer noch nähersteht als dem Kapitalismus. Eine bessere Wahlkampf-Munition hätte Nokia, hätten nun aber auch die Boykottaufrufe, die selbst aus der Bundesregierung erschallen (“durchaus verständlich“), der Linkspartei und damit auch der SPD nicht geben können.
Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf
Die Frage ist deshalb berechtigt, ob die Wirtschaft zusehen will, wie ihr Tun und Lassen dazu beiträgt, dass die politische Kultur, die ihr am nächsten steht, an Chancen verliert, Wahlen zu gewinnen. Da das nicht unbedingt die Subventionskultur ist, kann die Antwort nur lauten: Dankbarkeit oder politische Haftung ist weder von einem deutschen noch von einem finnischen Unternehmen zu verlangen, die investieren sollen, wo sie wollen - wenn sie denn auch das Risiko dafür tragen sollen. Politik funktioniert nicht völlig anders: Auch sie soll investieren, wo sie will, wenn sie denn das Risiko dafür trägt, das allerdings etwas breiter gestreut ist als für ein Wirtschaftsunternehmen.
Nokia : Seehofer will Handy zurückgeben
Jürgen Rüttgers kann in seinem vom „Strukturwandel“ gezeichneten Land ein Lied davon singen, wenn auch seine Zeit bis zur Wahl noch Wunden heilen wird. Christian Wulff, mehr noch Roland Koch sind dagegen nun mittendrin in einem Wahlkampf, den sie nicht haben wollten.
Mit Bochum und Nokia sind es nicht mehr jugendliche Schläger oder landesväterliche Zurückhaltung, die das Bild prägen, sondern potentielle Hartz-IV-Empfänger, die Tränen vergießen, nach sozialer Gerechtigkeit rufen und womöglich auch noch partout in die Mindestlohnfalle tappen wollen. Das ist ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf, den Koch in Hessen schon Probe laufen sieht. Dass er sich nun auf die Linkspartei einstellt, ist allerdings nicht mehr ein Zeichen der Offensive, in die er sich nach Neujahr noch katapultiert hatte. Erst bellten da die Hunde, nun zieht die Karawane weiter.
