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Islamischer Staat : „Keine Horde ideologisch verblendeter Irrer“

  • -Aktualisiert am

Ein Bild aus einem Video, das über den Youtube-Kanal Aamaq News verbreitet wurde und das einen Kämpfer des „Islamischen Staates“ im Einsatz zeigen soll. Bild: AFP

Für die Publizistin Khola Maryam Hübsch ist klar: Nicht der Islam ist das Problem, sondern reformunwillige Muslime. Gleichzeitig klagt die muslimische Journalistin, in der Diskussion um den Kampf gegen den Islamischen Staat gehe es zu sehr um Religion.

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          Frau Hübsch, macht Ihnen das Treiben des IS Angst?

          Es ist schon sehr besorgniserregend. Man muss es sehr ernst nehmen, aber es sollte uns nicht in dem Sinne Angst machen, dass es keine Möglichkeit gebe, ihr Treiben einzudämmen. Es gibt Mittel und Wege, aber die werden meiner Meinung nach nicht genügend genutzt. Noch größere Sorgen macht mir die Tatsache, dass die IS-Ideologie bei jungen Menschen zunehmend Anklang findet.

          Wie wird in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis über die barbarischen Akte der Terroristen gesprochen?

          In der muslimischen Community ist mittlerweile eine Ermüdungserscheinung eingetreten. Die meisten Muslime meinen, das habe mit ihnen nichts zu tun und es sei zu weit von ihnen entfernt. Sie haben keine Lust mehr, sich ständig rechtfertigen zu müssen, und sind es leid, damit in Verbindung gebracht zu werden. Nur selten kommt es dazu, dass innerislamisch über verschiedene Lesarten diskutiert wird und eine theologische Auseinandersetzung mit der IS-Ideologie stattfindet. Auch wenn der IS-Terror seine Ursache nicht in der Religion hat, wird sie doch instrumentalisiert. Solange es immer noch eine verbreitete Orthodoxie gibt, die lehrt, Apostasie sei mit dem Tode zu bestrafen und die Hölle sei ewig, besteht Diskursbedarf. Das fehlt derzeit noch. Es dominiert die Wut über den Terror, der den Ruf des Islam ruiniert.

          Die Journalistin Khola Maryam Hübsch
          Die Journalistin Khola Maryam Hübsch : Bild: khola.de

          Die grausamen Bilder, die uns alle erreichen, lassen einen fassungslos zurück. Mit welch einer Arroganz man sich präsentiert – im Koran wird Hochmut als Merkmal Satans hervorgehoben. Die Anmaßung der IS-Terroristen, die meinen, sie hätten das Recht, über Menschen zu urteilen und sie zu zwingen, widerspricht vollkommen dem Geist des Islam. Im 99. Vers der Sure 10 heißt es: „Und hätte dein Herr Seinen Willen erzwungen, wahrlich, alle, die auf der Erde sind, würden geglaubt haben insgesamt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, dass sie Gläubige werden?“. Gott hat also dem Menschen die Willensfreiheit gegeben, sich für oder gegen den Glauben zu entscheiden. Die Videos offenbaren die Hybris der Terroristen, die meinen sich zu Gott aufspielen zu können, indem sie über Leben und Tod richten.

          Alle, die Menschlichkeit empfinden, sind angewidert von den blutigen IS-Videos. Dazu kommt noch diese islamische Flagge mit dem Glaubensbekenntnis und dem Siegelring des Propheten Mohammed, unter der das alles geschieht…

          Das ist schon ein harter Etikettenschwindel. Dieser Terror hat mit dem Islam genauso viel zu tun, wie Pferdefleisch mit Rindfleisch-Lasagne. Das ist ein Skandal. Das beschämt uns. Für viele Muslime ist das eine große Beleidigung des Islam und eine Beschmutzung der Ehre des Propheten. In erster Linie sind es keine Karikaturisten oder Islamkritiker, die uns Muslime kränken, sondern die Terroristen, die im Namen des Islam für ihre machtpolitischen Interessen über Leichen gehen.

          Der selbsternannte Kalif Abu Bakr Al-Baghdadi ruft Muslime in aller Welt immer wieder dazu auf, in den Islamischen Staat auszuwandern und sich an ihrem Kampf zu beteiligen. Wie reagieren Muslime darauf?

          Kaum jemand nimmt ihn ernst. Niemand hält ihn für einen „rechtgeleiteten“ Kalifen, außer den Anhängern des IS. Es gibt Prophezeiungen im Islam, die von einem Kalifat sprechen und davon, dass der Messias östlich von Damaskus erscheinen würde. Die IS-Terroristen glauben, dass sie die Auserwählten sind, um die Welt auf sein Erscheinen vorzubereiten. Sie nutzen auch die Sehnsucht der Muslime nach Einheit und religiöser Führung aus. Ihr „Kalif“ hat keinerlei Legitimation. Er beruft sich nicht auf göttliche Offenbarung, er wurde nicht gewählt, sondern hat sich ganz einfach selbst ernannt und dann einen Staat ausgerufen. Deshalb wird er von vielen Muslimen als lächerliche Figur wahrgenommen, die aber extrem gefährlich ist.

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