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Terror nach 9/11 : 15 Jahre später

  • -Aktualisiert am

15 Jahre sind seit den Anschlägen von 9/11 in New York vergangen. Doch der Terror ist bis heute ein globales Problem. Bild: AFP

„9/11“ wurde das Symbol einer Epoche, die durch Konflikte gekennzeichnet ist. Manche Veränderung, die das Ereignis brachte, war grundlegend. Die Epoche des Terrors ist nicht zu Ende.

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          Es schien ein heiterer Spätsommertag zu werden – und dann schlugen zwei Flugzeuge wie Raketen im World Trade Center in New York ein; ein Flugzeug wurde in das Pentagon gerammt, ein weiteres ging in Pennsylvania nieder. Rund 3000 Menschen verloren an diesem Tag, dem 11. September 2001, das Leben. Nach diesem „Angriff auf Amerika“, wie die Schlagzeile der F.A.Z. lautete, war zumindest in den Vereinigen Staaten auf Jahre hinaus nichts mehr wie zuvor, und bald auch anderswo nicht. Zwar waren amerikanische Einrichtungen schon früher Ziel der Terrororganisation Al Qaida gewesen, darunter 1993 das World Trade Center, aber erst der Mehrfachangriff vor 15 Jahren machte auf massenmörderische Weise klar, mit welchem Gegner man es zu tun hatte und in Zukunft zu tun haben würde: mit zu allem entschlossenen Terroristen mit islamistischer Gesinnung und geopolitischen Zielen.

          Die einstürzenden Zwillingstürme in New York wurden das Symbol einer getroffenen Gesellschaft und einer Epoche, die durch neue, asymmetrische Konflikte gekennzeichnet ist. Manche Veränderung nach „9/11“ war grundlegend. Es folgten Kriege, an deren Folgen Länder und Regionen bis heute leiden; auf anderen Feldern kehrten die alten Rivalitäten nach vorübergehenden Phasen internationaler Zusammenarbeit zurück.

          Die Hoffnung hat sich jedenfalls nicht erfüllt, dass der islamistische Terrorismus und der Dschihadismus vorübergehende Phänomene sein würden und/oder binnen weniger Jahre erfolgreich niedergerungen werden könnten. Wahr geworden ist vielmehr die Vorhersage der damaligen Regierung Bush, die militärische Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen werde eine Generation oder länger dauern, von der politischen und ideologischen nicht zu sprechen. Der Streit darüber, ob es sinnvoll sei, vom „Krieg gegen den Terror“ zu sprechen, wirkt deshalb etwas neunmalklug. In Frankreich, das zuletzt mehrfach getroffen wurde, wird ganz selbstverständlich von „Krieg“ gesprochen.

          Die Terror-Bedrohung ist aufgrund ihres Operationsradius global

          Radikalislamistische Terrorbanden operieren heute in Vorderasien, im Nahen Osten, in Nord-, Ost- und Westafrika. Viele sind verbunden mit dem sogenannten „Islamischen Staat“, der von der militärischen Bedeutung und dem ideologischen Anspruch her an die Stelle von Al Qaida getreten ist. Er verfügt in Syrien und im Irak über eine territoriale Basis; die schrumpft zwar, dient aber weiterhin als Sendeplatz für die Propagandabotschaften in die Welt. In einigen Ländern können diese Banden vergleichsweise ungestört operieren, in anderen sind sie in der Defensive. Großes Unheil richten sie im einen wie im anderen Fall an.

          Die Bedrohung ist global, weil der Operationsradius global ist. Entwarnung kann nicht gegeben werden. Die Dauer und Intensität des Kampfs gegen den islamistischen Terrorismus haben die Gesellschaften des Westens in Unruhe versetzt. Vor allem in Europa hat das Gefühl der Unsicherheit zugenommen, in Amerika hat dagegen eine Art Ermattung eingesetzt. Madrid und London wurden 2004 und 2005 von Massenmördern von Al Qaida heimgesucht; die Anschläge der jüngeren Vergangenheit, auch in Deutschland, wurden meist verübt von Einzelgängern, gut vernetzten Dschihad-Reisekadern, die ihre Terrorausbildung in Syrien erhalten hatten, von Leuten, die als „homegrown terrorists“ bezeichnet werden. Gegen diese Täter haben die Sicherheitsbehörden einen schweren Stand, selbst wenn sie ihnen bekannt sein sollten; umso erfreulicher, dass jetzt in Paris ein Anschlag verhindert werden konnte.

          Nach dem Anschlag : „Und plötzlich herrschte Stille“

          Die Terroranschläge, die von den Hintermännern als Taten im Dienste des Islams verherrlicht und religiös verbrämt werden, säen Misstrauen; das ist ihr Zweck. Die Debatte über das Tragen von Burka und Burkini in der Öffentlichkeit ist ein Ausfluss davon. Der „Islamische Staat“ will harte Reaktionen gegen Muslime provozieren, um dann zur großen Entscheidungsschlacht gegen den Westen aufzurufen. Freilich ist es nach wie vor so, dass die meisten Opfer des islamistischen Terrorismus Muslime sind, in Pakistan vor allem, in Afghanistan. Im Irak und in Syrien ist der Terrorismus meist konfessioneller Natur; es ist der Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Die neuerdings oft benutzte Analogie zum Dreißigjährigen Krieg macht deutlich, wie unerbittlich, wie verheerend und fundamental dieser Konflikt ist.

          Am 11. September 2001 hat die Welt erfahren, welche Blasen das islamistische Revival treibt und zu welchen Taten religiös fanatisierte junge Männer fähig sind. Der Westen hat darauf auf vielfache Weise reagiert, manchmal nicht sonderlich klug. Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit darf er sich auf keinen Fall leisten, vernünftig muss er handeln, immer die Zusammenarbeit mit Ländern suchend, die ebenfalls bedroht und betroffen sind. Im Kampf gegen den Terrorismus von IS, Al Qaida und diejenigen, die ihnen huldigen und nacheifern, müssen alle verfügbaren Instrumente eingesetzt werden, militärische, polizeiliche, geheimdienstliche, ideologische, pädagogische. Aber die Frage bleibt auch fünfzehn Jahre danach ungeklärt: Was ist das wirksamste Mittel gegen die Radikalisierungsanfälligkeit so vieler junger Muslime?

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