Attentate in Deutschland : Wie erkennt man einen Terroristen?
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Als der Rucksack des Attentäters von Ansbach explodierte wurden elf weitere Menschen verletzt. Bild: dpa
Viele Menschen haben sich um die Täter von Ansbach und Würzburg gekümmert. Geholfen hat es nichts. Nun sind Politiker wieder mit Forderungen und Vorschlägen zur Stelle. Doch auch die bergen Schwierigkeiten.
Er ist 16 Jahre alt. Er findet sich in Deutschland nicht zurecht. Mit hohen Erwartungen war er hierhergekommen. Doch nun ist unklar, ob er bleiben kann. Eigentlich will er zurück nach Syrien. Auf die Deutschen ist er nicht mehr gut zu sprechen. Sie sind Ungläubige für ihn. Er hat Lust, ihnen Qualen zu bereiten. Der junge Syrer, der sich so äußert und den Verfassungsschützer dieser Tage im Blick haben, ist kein Einzelfall. Binnen einer Woche haben die Mitarbeiter eines Landesverfassungsschutzes fünf Hinweise auf junge Flüchtlinge bekommen, die sich radikalisieren. Und die zur Gefahr für ihre Mitmenschen werden könnten. Doch oft wird diese Gefahr nicht erkannt.
So wie bei Riaz A. Er war 17 Jahre alt. In einem Regionalzug in der Nähe von Würzburg ging er vor knapp zwei Wochen mit einer Axt und einem Messer auf Reisende los, verletzte vier chinesische Touristen schwer. Nachdem er den Zug verlassen hatte, schlug er auf eine Passantin ein. Er wurde erschossen, als er mit dem Beil auf Beamte des Sondereinsatzkommandos losstürmte, das ihn stellte. Vier Tage später schlug Mohammad D. zu. Vor dem Gelände des Musikfestivals „Ansbach Open 2016“ zündete der 27 Jahre alte Syrer einen Sprengsatz, den er in einem Rucksack mitgebracht hatte. Mohammad D. kam dabei ums Leben. Der Anschlag in Ansbach war das erste islamistische Selbstmordattentat in Deutschland. Es gab 15 Verletzte. Beide Täter waren den Sicherheitsbehörden nicht bekannt gewesen.
Mehr Geld, mehr Personal, mehr Informationen
Politiker bekundeten nach den Taten nicht nur ihre Erschütterung, sondern waren auch mit Forderungen und Vorschlägen zur Stelle. Neben den Ankündigungen, mehr Geld und mehr Personal für die Sicherheitsbehörden bereitzustellen, ging es um mehr Informationen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Donnerstag auf ihrer Pressekonferenz von einem besseren Frühwarnsystem, das gebraucht werde. Damit spielte sie auf die Schwierigkeit an, rechtzeitig zu erkennen, wer sich zu einem Täter entwickelt. Ein fertiges Modell hatte sie nicht. Es gab auch Forderungen, die den Eindruck erweckten, als sei bezüglich der Registrierung von Flüchtlingen noch nicht viel passiert seit der großen Welle des vorigen Jahres. So forderte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer eine „Registrierungsrevision“ aller nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge.
Selbst im Herbst vorigen Jahres, als bis zu 200.000 Asylsuchende im Monat nach Deutschland strömten, wurden die meisten Flüchtlinge schon beim Verlassen des Zuges von der Bundespolizei in Empfang genommen, mussten ihre Fingerabdrücke hinterlassen, wurden fotografiert und nach Namen und persönlichen Daten gefragt. Das war nur eine erste Registrierung. Umfassende Kenntnisse entstehen erst im Zuge eines Asylverfahrens. Inzwischen gibt es im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dem Bamf, immer mehr eigens geschulte Mitarbeiter, die Traumatisierungen erkennen können. Sie nehmen im Idealfall frühzeitig wahr, ob ein Flüchtling für sich selbst zur Gefahr werden kann. Oder auch für andere.
Allerdings kamen im Jahr 2015 so viele, dass ein großer Rückstand bei den Asylverfahren entstand. Viele Flüchtlinge lebten in Deutschland, von denen die Behörden nicht mehr hatten als Foto, Fingerabdrücke und Namen, der sich in Ermangelung von Dokumenten oft nicht mal auf seine Echtheit überprüfen ließ. Der Aufbau neuer Kapazitäten des Bamf und der stark zurückgehende Zustrom neuer Flüchtlinge hat nach Auskunft des Bundesinnenministeriums dazu geführt, dass derzeit „wesentlich mehr“ neue Asylverfahren angelegt werden, als Menschen ins Land kommen. Bis zu diesem Herbst sollen alle Nachregistrierungen erledigt sein. Wenn es so kommt, haben die Behörden die Kerndaten der Asylsuchenden. Und sie kennen zumindest deren Version der Gründe, nach Deutschland zu kommen. Da syrische Asylsuchende bis in dieses Jahr hinein aber nicht persönlich befragt wurden, weil der Berg von Asylverfahren schneller abgebaut werden sollte, fehlen oft Erkenntnisse.