Tickende Zeitbomben : Täglich vier mögliche Anschläge in Deutschland
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Möglicher Förderer von Terrorzellen? Bei Salafisten-Predigern wie Sven Lau (Bild) ist es schwer, den Spreu vom Weizen zu trennen. Bild: dpa
Wo in Deutschland stecken die islamistischen Attentäter? Und wer kommt als Terrorist in Frage? Antworten lieferte der Chef des Verfassungsschutzes an der Sicherheitstagung vom Montag.
Deutschland und Europa stehen dem Verfassungsschutz zufolge einer immer komplexeren Bedrohung durch die Extremistengruppe „Islamischer Staat“ (IS) gegenüber. „Wir müssen künftig multiple Anschlagsszenarien einkalkulieren, durch mehrere Zellen, gegen verschiedene Ziele und möglicherweise über mehrere Tage“, sagte Behördenchef Hans-Georg Maaßen am Montag bei einer Fachtagung in Berlin.
Neben den im Auftrag handelnden sogenannten „Hit-Teams“, die Attacken verüben wie in Paris oder Brüssel, kämen auch Dschihad-Rückkehrer und sogenannte Schläfer, unauffällig lebende Geschäftsmänner oder Familienväter, die ihre Terrorausbildung längst abgeschlossen haben und nur auf den Befehl zu einem Anschlag warten, als Täter infrage.
Zahl der Salafisten in vier Jahren verdoppelt
Eine hohe Gefahr gehe zudem von Einzelpersonen und Kleingruppen aus, die zwar keinen Auftrag hätten, aber etwa über das Internet radikalisiert und von der Ideologie des IS inspiriert seien. Maaßen verwies auf 8650 Salafisten, deren Zahl sich in den vergangenen vier Jahren mehr als verdoppelt habe.
“Für den Verfassungsschutz steht fest, der IS will auch Anschläge gegen Deutschland und deutsche Interessen durchführen“, sagte der Verfassungsschutz-Chef. Möglich seien Attacken mit professionellem Sprengstoff, Kriegswaffen und durch Selbstmordanschläge.
Vier Anschlagshinweise pro Tag
Täglich gingen bei seiner Behörde aus verschiedenen Quellen bis zu vier Hinweise auf mögliche islamistische Anschlagsplanungen ein. Dabei werde es nicht immer gelingen, „die Spreu vom Weizen zu trennen und Informationen so zu verdichten, dass ein Anschlag verhindert werden kann“.
Kanzleramtschef Peter Altmaier sagte, die Regierung werde alles tun, damit die Behörden über ausreichend Personal und Mittel verfügten. Wie Maaßen sprach sich der CDU-Politiker für eine bessere Zusammenarbeit der Geheimdienste und Sicherheitsbehörden sowie einen intensiveren Datenaustausch in Europa aus.
Laut Maaßen haben sich aus Deutschland inzwischen mehr als 800 kampfbereite Personen auf den Weg nach Syrien und Irak gemacht. Mutmaßlich 260 davon seien zurückgekehrt und 130 ums Leben gekommen. „Wir haben es im Fall des IS mit einer territorial verankerten quasi-staatlichen Terrorstruktur zu tun, die global agiert und die die Destabilisierung von Staaten nutzt, um sich weiter auszubreiten.“ Auch von Libyen könne diesbezüglich in absehbarer Zeit eine Gefahr ausgehen.
„Die Änderung des BKA-Gesetzes ist außerordentlich schädlich“
Maaßen warnte davor, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden infrage zu stellen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz, das die Richter in Teilen beanstandeten, bezeichnete er als „außerordentlich schädlich“. Es werde den Gefahren des global agierenden Terrorismus nicht hinreichend gerecht.
Um Anschlägen vorzubeugen, nimmt der Verfassungsschutz nach Angaben Maaßens auch 90 Moscheen ins Visier. Es gehe dabei aber um die Beobachtung einzelner Extremisten, die vor Ort versuchten, andere Menschen zu radikalisieren und zu Terroranschlägen zu inspirieren.