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Kampf gegen den Terror : Bei jedem fünften Drohnenangriff der Amerikaner stirbt ein Zivilist

Achtung, der „Sensemann“ kommt: Drohne des Typs „Reaper“ auf einer Militärbasis in Nevada. Bild: AFP

Kein amerikanischer Präsident ordnete je so viele Einsätze gegen Terroristen an wie Barack Obama. Nun hat er erstmals Opferzahlen genannt.

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          Heikle Informationen werden in Washington gerne veröffentlicht, wenn das Land gerade mit anderen Dingen beschäftigt ist. Am Freitag war es wieder so weit. Ein langes Wochenende stand bevor, gekrönt von den Barbecues zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli. Nachmittags, als viele Bürger schon auf dem Weg in den Kurzurlaub waren, veröffentlichte der Geheimdienst-Direktor erstmals Zahlen zu den Opfern des geheimen Drohnenkriegs gegen Terroristen. Zwischen dem Amtsantritt Barack Obamas im Januar 2009 und dem Jahresende 2015 kamen demnach 64 bis 116 Personen ums Leben, die als „Nicht-Kombattanten“ eingestuft wurden. Die Zahl der getöteten Kombattanten soll hingegen bei 2372 bis 2581 liegen.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Man kann sich die Zahlen leichter vergegenwärtigen, wenn man sie auf die Zahl der Angriffe umrechnet, insgesamt 473: Im Durchschnitt wurden bei jeder Drohnenattacke fünf Terroristen getötet, bei jeder fünften starb ein Zivilist. Die Angaben beziehen sich auf verdeckte Einsätze gegen Al Qaida und ihre Verbündeten in Pakistan, Jemen und Somalia. Die Angriffe werden in der Regel vom Auslandsgeheimdienst CIA geführt, während das amerikanische Militär für Operationen in Kriegsgebieten zuständig ist. Derzeit sind das Afghanistan, der Irak und Syrien. Allerdings lassen sich die Programme nicht exakt auseinander halten. Denn Obama übertrug 2013 Kompetenzen von der CIA an das Militär, und im Jemen operieren beide gemeinsam.

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          Mit den Opferzahlen veröffentlichte das Weiße Haus am Freitag eine Anordnung des Präsidenten zum Umgang mit zivilen Opfern bei Gewalteinsätzen. „Die Regierung soll die beste Vorgehensweise bewahren und befördern, die die Wahrscheinlichkeit ziviler Opfer vermindert“, lautet die Maßgabe darin. Das betrifft die Ausbildung von Drohnenpiloten, die Genauigkeit der Zielaufklärung und der Waffen sowie die Berücksichtigung der Umstände eines Angriffs. So soll etwa die zivile Bevölkerung vor einem Angriff gewarnt werden, sofern die Umstände das zulassen. In der Praxis geschieht das freilich fast nie.

          Die Anordnung legt außerdem fest, dass die Regierung verletzte Zivilisten und die Angehörigen getöteter Zivilisten entschädigen soll. „Ex gratia“, heißt es, also freiwillig. Auch darüber wird selten etwas bekannt, was sicher auch daran liegt, dass die CIA nicht Geldkoffer über Talibangebieten abwirft. Außerdem käme es für Familien in solchen Gegenden einem Todesurteil gleich, wenn bekannt würde, dass sie eine amerikanische Entschädigung angenommen hätten. In der Praxis bedeutsamer ist dagegen die Verpflichtung, dass amerikanische Stellen Verbindung zum Internationalen Roten Kreuz und zu Nichtregierungsorganisationen halten, die in Konfliktgebieten arbeiten. So sollen einerseits die Helfer geschützt werden. Andererseits sollen die dabei helfen, klarer zwischen militärischen Zielen und Zivilisten zu unterscheiden. Das stellt Hilfsorganisationen, die sich in Konflikten als neutrale Akteure verstehen, vor schwierige ethische Abwägungen.

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