Terrormiliz „Islamischer Staat“ : Soziale Netzwerke als Waffen
- -Aktualisiert am
Martialische Pose: die Henker des IS gebärden sich als Popstars Bild: AFP
Die Dschihadisten des „Islamischen Staat“ zeigen, wie soziale Netzwerke zum Medium des Terrorismus werden: Sie inszenieren Hinrichtungen nicht maximal blutrünstig - sondern als makabere Unterhaltungsshow.
Die IS-Terroristen lieben die sozialen Netzwerke. Sie benutzen sie als Waffe – und treffen damit Menschen auf der ganzen Welt. Es ist sogar so, dass diese Menschen sich freiwillig vom Terror treffen lassen.
Die Terroristen enthaupten Geiseln und stellen Videos davon ins Netz. Allein die Hinrichtung von James Foley wurde auf einer Internetseite, die solche Filme duldet, bisher 1,3 Millionen Mal angesehen. Plus die Klicks bei anderen Portalen. Warum wollen so viele Menschen so etwas Schreckliches sehen?
Menschen haben schon immer gern bei Enthauptungen zugeschaut – unter bestimmten Bedingungen. Uns gefällt alles, was eine „besondere Dramatik“ hat, deswegen muss heute alles „besonders dramatisch“ sein: Dschungelcamps, Autodesign, Joghurt. Eine sehr dramatische Hinrichtungsart ist das Köpfen. Nicht nur das Opfer steht im Mittelpunkt, sondern auch der Henker. Jemandem den Kopf abzuschlagen kostet eigentlich übermenschlich viel Überwindung, außerdem enorme Körperkraft. Erschießen, Vergiften, Ertränken oder Steinigen sind anders – man macht sich die Hände nicht blutig. Die Belohnung für den Henker ist der Kopf. Eine krassere Trophäe gibt es nicht.
Hinrichtungen sind ein altbewährtes Mittel
Menschen köpfen einander, seit sie das Werkzeug dafür haben. Erst nahmen sie das Beil, später, als sie schmieden konnten, auch das Schwert. Im alten Rom war es ganz normal, Verurteilte zu köpfen. Deswegen hält Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit, das Richtschwert in der Hand. Es hat allerdings einen guten Grund, dass es gerade ein Schwert ist und nicht, nur zum Beispiel, eine Säge. Die öffentliche Enthauptung sollte möglichst schnell geschehen, mit einem einzigen Streich. Wie das Publikum reagierte, wenn das nicht gelang, beschreibt der Autor Karl Bruno Leder in seinem Buch über die Todesstrafe: Die Leute quengelten, randalierten oder warfen Steine auf den Henker. Wer sich eben noch auf die Show gefreut hatte, fühlte nun das verdrängte Mitgefühl in sich aufsteigen. Man wollte sich keine unberechenbaren Grausamkeiten zumuten. Es konnte schon reichen, dass der Henker den Todgeweihten grob schubste.
Die Henker wiederum machten Fehler, weil sie Angst hatten, Fehler zu machen. Sie soffen sich vor den Hinrichtungen Mut an, und so besoffen hauten sie gelegentlich daneben. Leder erwähnt einen Fall aus dem Jahr 1641, bei dem der Henker fast gesteinigt worden wäre. In Nürnberg sollte er eine Frau köpfen. Doch er verfehlte den Hals und schlug ihr stattdessen „ein Stück so groß wie ein Taler von dem Kopf weg“. Schwer verwundet begann die Sünderin auf einmal, um ihr Leben zu betteln. Aber es half nichts. Der Henker schlug sie auf den Boden und schnitt ihr den Kopf auf der Erde ab. Das Volk raste vor Wut. So hatte es sich die „besondere Dramatik“ nicht vorgestellt. Die Erfindung der Guillotine wurde euphorisch gefeiert, weil das Fallbeil Unfälle unwahrscheinlicher machte.
Zu brutale Videos schrecken ab
Terroristen wollen ihre Opfer nicht schonen. Sie wollen Schrecken verbreiten. Allerdings konzentrierten sie sich bisher stärker auf den Schrecken als auf dessen Verbreitung. Sie begingen zwar die grausamsten Verbrechen – aber bedachten oft nicht, dass vielen Menschen der Anblick zu brutal war. So war es zum Beispiel bei der Enthauptung des israelisch-amerikanischen Journalisten David Pearl vor zwölf Jahren. Er war in Pakistan entführt worden. In Internetforen warnen Leute bis heute davor, das Video seiner Hinrichtung anzuschauen. Nicht, weil da ein Mensch vor aller Augen ermordet wird. Sondern, weil es „extrem gewalttätig und grausam“ sei und vor allem mit verstörenden Geräuschen. So beschreibt es ein Nutzer auf der amerikanischen Seite Reddit. Andere berichten von kaum bekannten Hinrichtungsfilmen, bei denen die Geräusche das Schlimmste gewesen seien.