Iran : Machtkampf in Teheran
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Ajatollah Ali Chamenei im Jahr 2008 Bild: dpa
Vor der Parlamentswahl in Iran befinden sich Revolutionsführer Chamenei und Präsident Ahmadineschad im offenen Konflikt. Von der „grünen Revolution“ aber ist nicht viel geblieben.
Vor den Bildern ermordeter iranischer Atomwissenschaftler hat sich Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei am Mittwoch wieder einmal zur Atompolitik seines Landes geäußert. Er sprach vor Mitarbeitern der iranischen Atomenergiebehörde. Nach seiner Weigerung, den Inspekteuren der Internationalen Atomenergiebehörde Zutritt zum Militärkomplex Parchin zu gestatten, hatte er aber die internationale Gemeinschaft im Blick. Dabei wiederholte er lediglich, dass Iran keine Atombombe brauche. In Iran selbst ist freilich der Blick dieser Tage weniger als sonst auf das Atomthema gerichtet. Die Iraner interessieren sich für die Machtkämpfe innerhalb des Regimes, die sich vor der Parlamentswahl am 2. März zuspitzen.
In den vergangenen Wochen hatte das Regime mehrere Dutzend dissidente Journalisten und Blogger festnehmen lassen, Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten. Drei Betreiber von Internetseiten, die jeweils seit mehreren Jahren in Haft sind, wurden in den vergangenen Tagen zum Tode verurteilt. Von der „grünen Bewegung“, die es im Sommer 2009 herausgefordert hatte, geht für das Regime keine Gefahr mehr aus. Ihre Führer Mehdi Karrubi und Mir-Hossein Mussawi stehen weiter unter Hausarrest, und die Reformer werden auch im künftigen Parlament keine Rolle spielen: Lediglich ein Dutzend der zugelassenen Kandidaten soll Mussawi nahestehen, nicht einmal 20 Kandidaten dem früheren Staatspräsidenten Ali Akbar Rafsandschani.
Anhänger von Chamenei und Staatspräsident Mahmud Ahmadineschad werden die Mandate im neuen Parlament unter sich aufteilen. Zwar haben die treu zu Chamenei haltenden Geistlichen des Wächterrats etliche bekannte Abgeordnete, die für Ahmadineschad sprechen, wegen „mangelnder Konformität zum Islam und zur politischen Ordnung“ von der Kandidatenliste gestrichen; unter ihnen sind Shahaboddin Sadr, Bahman Scharifzadeh und Abbas Amirifar. Der Wächterrat hat aber viele Namen von Kandidaten passieren lassen, die offenbar Ahmadineschad unterstützen.
Der Präsident könnte so seine Stellung im Parlament ausbauen. Im ausgehenden Madschles waren die meisten Abgeordneten dem Revolutionsführer gefolgt. Sie haben daher Ahmadineschad vor das Parlament geladen, wo er nach dem 2. März seine erfolglose Wirtschaftspolitik und seine Meinungsverschiedenheiten mit Chamenei erklären soll. Sollte er im neuen Parlament wieder nur schwach vertreten sein, könnte dieses gegen ihn ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Offenbar rechnet Ahmadineschad aber damit, dass jeder zweite Abgeordnete im neuen Parlament auf seiner Seite stehen wird.
Comeback im Machtkampf
Im Machtkampf mit Chamenei ist Ahmadineschad ein erstaunliches Comeback geglückt. Bei der Präsidentenwahl im Juni 2009 hatte Chamenei den „Sieg“ Ahmadineschads noch als ein Geschenk Gottes gepriesen. Bald danach wurden aber die Differenzen zwischen den beiden offenbar. In einen offenen Konflikt mündeten diese im vergangenen Frühjahr, als Ahmadineschad Geheimdienstminister Haidar Moslehi entließ, der Chamenei nahestand. Der forderte ihn ultimativ auf, die Entscheidung rückgängig zu machen. Seither wurden zahlreiche Vertraute Ahmadineschads unter dem Vorwurf der Korruption verhaftet, und das Lager um Chamenei zettelte eine Kampagne gegen den engsten Vertrauten und Schwager des Präsidenten, Esfandiar Rahim-Maschaei, an.
Ahmadineschad sähe seinen Schwager gerne als Nachfolger im Präsidentenamt. Chameneis Lager will das jedoch auf jeden Fall verhindern. Zuletzt hat am Montag der Geistliche Modschtaba Solnur, der geistliche Vertreter Chameneis bei den Revolutionswächtern, wieder gewettert, Leute wie Rahim-Maschaei seien „Abtrünnige“ und ein Tumor, der das Nervensystem des ganzen Körpers bedrohe. Die Operation werde daher schmerzhaft. Rahim-Maschaei und Ahmadineschad seien siamesische Zwillinge, die sich nicht trennen ließen.
Beide Lager halten an der Islamischen Republik fest, aber sie haben verschiedene Vorstellungen von der Zukunft Irans. Großajatollah Chamenei hält am Status quo fest, in dem er der oberste Führer ist und in vielen Angelegenheiten das letzte Wort hat. Ahmadineschad aber gebärdet sich eher als Nationalist und Populist denn als gehorsamer Diener des Klerus.
Dem einen der Klerus, dem anderen das Innenministerium
Jeder hat wichtige Partner. Chamenei stützt sich auf den Wächterrat, der von den 4877 Kandidaten 2700 zugelassen hat, auf die Justiz und die Geheimdienste. Auch die politisch aktiven Geistlichen folgen Chamenei, selbst Ajatollah Mohammed Taqi-Yazdi, der geistliche Mentor des Präsidenten. Ahmadineschad jedoch kann sich auf das Innenministerium verlassen, das Wahlen überwacht, zudem auf die meisten Bürgermeister und die Gouverneure. Die mächtigen Revolutionsgarden sind zwischen beiden Lagern gespalten.
Wahlkampf führt Ahmadineschad nicht so sehr in den großen Städten, sondern in den ärmeren ländlichen Gegenden, denen er seine Wahl zum Staatspräsidenten 2005 zu verdanken hatte. Dabei bedient er sich der Petrodollars aus der Staatskasse. Chamenei hat zwar das letzte Wort in der Atompolitik, Ahmadineschad kontrolliert aber die Ölpolitik.
Chamenei sieht sich, nach Rafsandschani und Chatami, bei Ahmadineschad zum dritten Mal einem Präsidenten gegenüber, der eigene Wege gehen will. Ahmadineschad hatte fälschlicherweise geglaubt, sein zunächst privilegiertes Verhältnis zum Führer ermögliche ihm freie Hand bei Personalentscheidungen und Mitsprache in der Außenpolitik. Im vergangenen Oktober hatte Chamenei, seines politischen Ziehsohns überdrüssig, die Idee ventiliert, von einem Präsidialsystem zu einem parlamentarischen System überzugehen. Für Chamenei ist Ahmadineschad daher zu einer größeren Gefahr geworden als die „grüne Bewegung“. Für Ahmadineschad geht es nun darum, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn im nächsten Parlament zu verhindern und die Weichen für einen Nachfolger zu stellen, über den er nach dem Ende seiner zweiten Amtszeit im Sommer 2013 Einfluss auf die Politik nehmen kann.