Innere Sicherheit : Viel Kritik am "Otto-Katalog"
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Umstritten: Fingerabdruck im Pass Bild: dpa
Zahlreiche Experten übten am Freitag in Berlin im Innenauschuss des Deutschen Bundestages Kritik am "Otto-Katalog".
Gleichzeitig mit der Billigung des ersten Anti-Terror-Pakets durch den Bundesrat hat sich gegen das zweite Gesetzesbündel von Innenminister Otto Schily (SPD) eine breite Front von Bedenken aufgetan. Nichtregierungsorganisationen erhoben in einer Anhörung des Bundestags-Innenausschusses am Freitag Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der geplanten Maßnahmen zur inneren Sicherheit.
Als vehementester Kritiker entpuppte sich der Berliner Staatsrechtler Martin Kutscha. Nach seiner Überzeugung helfen die meisten der von Schily geplanten Gesetzesmaßnahmen nicht dabei, so genannte Schläfer aufzuspüren. Sie würden sogar gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen.
Vor allem die Aufnahme biometrischer Daten in den Personalausweis stieß auf den Widerstand der Experten. So verwies die Humanistische Union, die älteste deutsche Bürgerrechtsbewegung, darauf, dass deutsche Personalausweise schon heute nahezu fälschungssicher seien. Zudem bestehe die Gefahr des Missbrauchs durch die Aufnahme medizinischer Daten.
Jeder wird zum Verbrecher
Kutscha machte deutlich, dass mit einer solchen Maßnahme ausländische Terroristen nicht erfasst werden könnten. Vor allem aber würde damit jeder zum potenziellen Verbecher abgestempelt. Kutscha verwies außerdem auf die Gefahr durch die verstärkte Überwachung es öffenlichen Raumes durch Videokameras. Auch so können biometrische Daten erfasst werden, was für ihn den Weg zu einem totalitären Staaswesen bedeuten würde.
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Joachim Jacob, begrüßte, dass die Aufnahme biometrischer Daten nicht durch eine Rechtsverordnung, wie von Schily ursprünglich vorgesehen, sondern nur durch ein Gesetz geregelt werden soll.
Streit um IMSI-Catcher
Zu den wenigen, die den Gesetzentwurfe insgesamt positiv bewerteten, gehörte Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm. Die geplante Erweiterung der Kompetenzen für sein Amt ermöglicht in seinen Augen "eine intensivere Beobachtung" von verdächtigen Personen. Gerade diese Kompetenzerweiterung war jedoch vielen Verfassungsrechtlern ein Dorn im Auge.
Nicht einig waren sich die Expertenüberdie Nutzung des sogenannten IMSI-Catchers. Laut dem Berliner Datenschutzbeauftragten Hansjürgen Garstka ist dieser nicht geeigent für die Feststellung des Standortes eines Mobiltelefones. Dem widersprach energisch der Präsident des Bayrischen Landskriminalamtes, Heinz Haumer. Er erklärte, dank dieser technischen Möglichkeit sei vor zwei Jahren erfolgreich ein Fall von Menschenraub beendet worden.
Zeitplan umstritten
Bestritten wurde nicht zuletzt der Zeitplan. Nicht nur der Berliner Datenschützer Garstka fand das Gesetzespaket, das schon nächste Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, nicht für eilbedürftig, da ein wesentlicher Teil nichts mit der aktuellen Sicherheitslage zu tun habe. Nicht nur der Staatsrechtler Kutscha hegte den Verdacht, dass der Terroranschlag nur als Vorwand dafür diene, alte Vorschläge endlich realisieren zu können. Der FDP-Innenexperte Max Stadler ging jedenfalls davon aus, dass noch einige Änderungen am "Otto-Katalog" notwendig sind. Es sei deutlich geworden, so Stadler, dass ein Teil der Zuständigkeiten des Bundes eigentlich Ländersache seien. Zudem seien die Betroffenen angesichts der neuen Auskunftsbefugnisse gegenüber Fluggesellschaften und Banken unzureichend geschützt. Das Vorhaben könne nicht mehr in diesem Jahr „durchgepeitscht“ werden, sagte Stadler.