Zypern-Krise : Schwarz und Rot sind fassungslos
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Schlechte Stimmung: Junge Leute protestieren vor dem zyprischen Parlament Bild: AP
Erst sah es so aus, als könnte die SPD die Versuche zur Rettung Zyperns als Munition im Wahlkampf nutzen. Doch jetzt schauen alle Parteien nur kopfschüttelnd nach Nikosia.
Zu Wochenbeginn war der Bundesregierung rasch klar, dass bei den wenige Tage zurückliegenden Verhandlungen über finanzielle Hilfe für Zypern etwas mächtig schiefgegangen war. Weniger in der Sache als in der Kommunikation. Der Eindruck war entstanden, dass mindestens mit Billigung, gerüchteweise aber sogar auf Initiative von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kleinere Sparvermögen zyprischer Bankkunden herangezogen werden sollten, um dem Land aus der Krise zu helfen. Das Wort Kleinsparer hatte in Berlin auf einmal Konjunktur.
Vor allem Sozialdemokraten fanden es zwar in Ordnung, vermögende Bankkunden mit ins Rettungsboot zu zwingen. Aber dass der kleine Mann bluten sollte, war inakzeptabel. Als einer der Ersten äußerte sich Genosse Martin Schulz, der Präsident des Europaparlaments. Schon am vorigen Wochenende forderte er „einen Freibetrag von 25.000 Euro“. Eine Fundamentalkritik an der Bundesregierung war das noch nicht. Die lieferte zwei Tage später SPD-Chef Sigmar Gabriel. „Angela Merkel ist mitverantwortlich dafür, dass in Zypern Kleinsparer die Zeche zahlen sollen, aber die Bankeigentümer ungeschoren davonkommen“, dröhnte er. Merkel habe zugelassen, dass Kontoinhaber „faktisch teilenteignet“ würden und dass Zypern „die ganze Eurozone ins Chaos stürzt“. Und sie habe das Versprechen, das sie einst gemeinsam mit dem Sozialdemokraten Peer Steinbrück den deutschen Sparern gegeben habe, „für die Kleinsparer in ganz Europa verraten“.
Gabriel hatte allerdings in den Wochen zuvor die Regierung in Zypern besonders hart kritisiert und es abgelehnt, dass zur Rettung ihres Geschäftsmodells deutsche Steuergelder verwendet würden. „Russische Oligarchen, serbische Mafia und Steuerhinterzieher sind das bisherige Geschäftsmodell auf Zypern“, hatte er gesagt. Wie aber sollte denen das Handwerk gelegt werden, wenn nicht mit einer faktischen Teilenteignung?
Kein Vorschlag Schäubles
Es dauerte ein paar Tage, bis sich in Berlin verbreitete, dass die Vorwürfe an die Regierung nicht haltbar waren und sich demnach kaum oppositioneller Honig aus der Sache saugen ließ. Schäuble hatte bei den Verhandlungen der Finanzminister in Brüssel vielleicht den Fehler gemacht, die Diskussion über Kleinsparer nicht gleich auszutreten. Aber der Vorschlag war nicht sein Baby gewesen. Ein Grünen-Politiker sagte sogar, man sei dem zyprischen Präsidenten Nikos Anastasiadis in Brüssel in die Falle gegangen. Ihm wird vorgeworfen, er habe den Vorschlag, Kleinsparer einzubeziehen, gerne genutzt, um zu Hause den Volkszorn zu entfachen.
Mittlerweile geben die Sozialdemokraten immerhin zu, dass sie nicht wissen, welche Rolle die Kanzlerin und ihr Finanzminister genau gespielt hätten. Aber eine Regierungschefin, die jeden Erfolg bei der Euro-Rettung in Anspruch nehme, müsse sich auch dieses Desaster anrechnen lassen. Die scheinbar unverletzliche Kanzlerin sei zumindest angeschlagen. Die Vorstellung, dass nachts Teile des Kontos geräumt werden könnten, habe einen Nerv in der deutschen Bevölkerung getroffen.
Merkel, so heißt es in der SPD, habe seit Wochen versucht, eine Debatte über die Zypern-Hilfe zu unterbinden. Noch am Mittwoch vor dem Gipfel habe Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier einen Brief an die Kanzlerin geschickt, um zu erfahren, was zur Zypern-Rettung geplant sei. Daraufhin habe Schäuble beim SPD-Fraktionschef angerufen, um mitzuteilen, alles sei offen. Das sei Teil der üblichen Merkelschen Überrumpelungstaktik, mit der sie den Bundestag zu einer schnellen Zustimmung bringe. Doch diesmal sei die Kanzlerin damit gescheitert.
Die Kanzlerin wurde deutlich
Je länger die politischen Akteure in Berlin der Diskussion in Nikosia und dem Treiben der zyprischen Bevölkerung zuschauten, desto klarer wurde eines: Verantwortlich dafür, dass es mit der Rettung der kleinen Insel nicht voranging, waren vor allem deren Politiker und nicht die Regierung in Berlin oder die Europäische Union. Die Ablehnung des ersten Rettungsvorschlags durch das Parlament in Nikosia, mehr aber noch der daraufhin von Zypern vorgelegte zweite Vorschlag sorgten unter den Berliner Parlamentariern quer durch die Reihen für Fassungslosigkeit.
Die reichte hinauf bis ganz nach oben. Nachdem die Abgeordneten der Unionsfraktion am Freitag zu einer Sondersitzung zusammengekommen waren, erlebten sie eine Bundeskanzlerin, die so deutlich wurde wie kaum je zuvor in den europapolitischen Diskussionen der Krisenjahre. Rundheraus lehnte sie den Vorschlag aus Zypern ab, die Rentenkassen zur finanziellen Rettung des Inselstaates heranzuziehen. Sogar eine Warnung stieß die Kanzlerin aus: Zypern solle die Geduld der Euroländer auf dem Weg zu seiner Rettung nicht überstrapazieren.
Auch in der SPD herrschte der Eindruck vor, dass die Zyprer ihre Lage nicht verstanden hätten und alles tun wollten, um ihr Geschäftsmodell zu retten. „Verrückt“ und „absurd“ sind Begriffe, mit denen der Plan B und die Idee, den Rentenfonds zur Finanzierung zu benutzen, bewertet wurden.
In dieser Stimmung brachen die Abgeordneten am Freitag in die Osterpause auf. Doch sie wurden von den Fraktionsführungen schon darauf eingestimmt, dass sie ihre Ferien vielleicht unterbrechen müssen, um über die Rettung Zyperns zu beraten. In einem Brief an Schäuble schrieb der SPD-Mann Steinmeier, er halte es für „nicht vertretbar, mit der Befassung des Plenums des Deutschen Bundestages bis zur nächsten Sitzungswoche im April zu warten“. Die würde am 15. April beginnen. Wie wird die SPD dann oder auch früher abstimmen? In der Partei heißt es, das sei noch völlig offen.