Wolfgang Schäuble im Gespräch : „Ich sah den Angstschweiß der Grünen“
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Freut sich auf vier weitere Jahre im Amt: Wolfgang Schäuble Bild: Matthias Lüdecke
Der alte und neue Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht im F.A.S.-Interview über gescheiterte Bündnisse, die Rentenpläne der Koalition und die Trauer über die FDP.
War es ein Fehler der SPD, dass sie in den Koalitionsverhandlungen nicht das Finanzministerium für sich gefordert hat, Herr Schäuble?
Da fragen Sie den Falschen.
Ohne den Finanzminister wird doch keine wichtige Frage entschieden. Muss der kleinere Koalitionspartner dieses Amt nicht beanspruchen?
Auch ohne den Kanzler wird keine wichtige Frage entschieden. Und ohne den Koalitionspartner werden wichtige Fragen auch nicht entschieden. Der wichtigste Partner von Angela Merkel in der Koalition ist der SPD-Vorsitzende – egal, welche Funktion er hat.
Wie begeistert sind Sie davon, dass Schwarz-Rot schon wieder regieren wird?
Es ist nichts Neues, dass ich grundsätzlich kein besonderer Anhänger großer Koalitionen bin. Das darf in einer funktionierenden Demokratie nicht die Regel sein. In Ausnahmefällen muss es aber sein, und jetzt machen wir das. Wir waren in den letzten vier Jahren mit der FDP sehr erfolgreich. Der neue Koalitionsvertrag schreibt in wesentlichen Bereichen diese Politik fort. Auch und gerade in der Finanzpolitik, die nachhaltig bleibt: Wir werden die Neuverschuldung weiter reduzieren und im übernächsten Jahr ohne neue Schulden auskommen. Und wir werden den Finanzsektor weiter konsequent regulieren, um Krisen zu vermeiden.
Wie schwer war es für die Union, das Finanzministerium zu halten?
Ich war nicht dabei, als die Entscheidung fiel. Angela Merkel und Horst Seehofer haben mir gesagt, sie möchten, dass ich Finanzminister bleibe. Aber in Koalitionsverhandlungen müssen eben alle an Bord sein. Ich habe gesagt: Ich mache das gerne, aber wenn es nicht so kommt, dann ist es auch gut.
Wären Sie auch Minister in einem anderen Ressort geworden?
Ich freue mich, auch die nächsten vier Jahre der Finanzminister zu sein.
Hat die SPD die CDU mit dem Mitgliederentscheid ausgetrickst, um die Latte für das Ja zu einer Koalition möglichst hoch zu legen?
Das habe ich nicht so empfunden. Das Ergebnis der Bundestagswahl war ja eindeutig. Für die Sozialdemokraten war es deshalb schwer, in diese Koalition zu gehen. Dass die SPD-Führung sich in dieser besonderen Situation zu einem Mitgliederentscheid entschlossen hat, ist nicht zu kritisieren. Wir als CDU/CSU waren in einer ganz anderen Lage. Im Übrigen bin ich ein großer Anhänger der repräsentativen Demokratie. Die Erwartungen an Referenden oder eine plebiszitäre Demokratie sind oft viel zu hoch. Beim Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 ist auch durch den Bürgerentscheid keine Befriedung eingetreten.
Die Koalition verteilt Rentengeschenke. Die Beitragssätze für die Rente werden aber nicht gesenkt. Wie erklären Sie das jungen Menschen in Deutschland?
Wir haben 2006 beschlossen, dass das Renteneintrittsalter aufgrund der gestiegenen Lebenserwartung angehoben wird. In der SPD gab es zwischenzeitlich eine Diskussion, sich von dieser eigenen Entscheidung zu distanzieren. Im Koalitionsvertrag haben wir uns ausdrücklich dazu bekannt, dass es dabei bleibt. Das war für uns ein wichtiger Punkt. Schon jetzt gibt es die Möglichkeit, dass man nach 45 Beitragsjahren mit 65 ohne Abzüge in den Ruhestand gehen kann. Die jetzige Einigung flexibilisiert lediglich den Übergang zur Rente mit 67 und richtet sich weiterhin an langjährige Beitragszahler.
Wie teuer kann das Ganze eigentlich werden?
Die Auswirkungen bleiben begrenzt. Denn der Zeitpunkt, zu dem man nach 45 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen kann, steigt parallel mit der allgemeinen Anhebung des Rentenalters. Dadurch ist das finanzielle Volumen verantwortbar.
Wenn nun alles nicht so teuer wird, warum senkt die frisch ins Amt gekommene Koalition die Rentenbeiträge nicht?