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Im Gespräch: Wolfgang Kubicki : „Ich befürchte, dass VW bald keine Autos mehr nach Amerika liefern darf“

... aber es werden doch immer mehr Anhänger, die den Rechtspopulisten hinterherlaufen,  und es sind eben nicht nur durchgeknallte Rechtsradikale, sondern Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, die vorher die etablierten Parteien gewählt haben. Lässt Sie das kalt?

Überhaupt nicht, ich will die AfD nur nicht überhöhen oder dämonisieren. Wir wissen, dass 80 Prozent ihrer Wähler Protestwähler aus anderen Parteien sind - das muss man natürlich ändern, und die Verantwortung dafür liegt bei den etablierten Parteien. Trotzdem bringt die AfD auch  Menschen an die Wahlurne, die wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben gewählt haben. Das allein ist doch auch schon mal ein demokratischer Wert.

Kubicki über die Wahl in Amerika: „Wenn ich Donald Trump wäre, würde ich jetzt sagen: Mit Angela Merkel rede ich erst an sechster oder siebter Stelle“
Kubicki über die Wahl in Amerika: „Wenn ich Donald Trump wäre, würde ich jetzt sagen: Mit Angela Merkel rede ich erst an sechster oder siebter Stelle“ : Bild: Helmut Fricke

Wird es im Bundestagswahlkampf eher um kalte Progression und Rente gehen oder um die großen Schlagworte wie Sicherheit, Solidarität, Frieden in Europa?

Es wird ein Stimmungswahlkampf: Welche politischen Kräfte werden es verhindern, dass wir wieder in einen Krieg hineinschlittern? Normalisieren wir unser Verhältnis zu Russland? Was machen unsere amerikanischen Freunde, und sind die jetzt überhaupt noch unsere Freunde? Wenn man sich den künftigen Präsidenten Donald Trump so anhört, befürchte ich, dass VW bald keine Autos mehr nach Amerika liefern darf.

Glauben Sie, dass Trump seinen radikalen Kurs aus dem Wahlkampf wirklich umsetzen wird?

Ich bin überzeugt davon, dass er zumindest einen Teil seiner zentralen Wahlversprechen einlösen muss und auch wird. Trump wird ganz schnell ein Infrastrukturprogramm und einen Wachstumsfonds auflegen, er wird in den Straßen- und Schienenbau investieren. Damit kann er den Menschen im Mittleren Westen, die ihn gewählt haben, die Hoffnung wiedergeben, dass es vorwärts geht. Dann hätte er schon fast alles erreicht, was er erreichen kann.

Vor der Wahl haben viele die Gefahr beschworen, die von Trump ausgehe - für die internationalen Beziehungen, für den Frieden. War das übertrieben?

Es war zumindest sehr unklug. Trump von vorneherein zum Dämon gemacht zu haben bedeutet, jetzt erklären zu müssen, warum er vielleicht doch keiner ist. Die Kriegsgefahr wäre unter Hillary Clinton übrigens nicht geringer gewesen, sondern vielleicht sogar größer, weil eine demokratische Präsidentin mit einer republikanischen Mehrheit in Senat und Kongress wahrscheinlich wesentlich martialischer hätte auftreten müssen als Trump jetzt. Ich glaube, das amerikanische System ist stark genug, um auch mit einem Donald Trump fertig zu werden. Meine große Sorge ist eher, dass Amerika und Russland jetzt anfangen könnten, sich weltpolitisch zu verständigen. Wenn Washington und Moskau im Angesicht Chinas künftig gemeinsam Weltpolizei spielen sollten, wäre das das Ende der deutschen Diplomatie. Dann würden wir zu nichts mehr gebraucht.

Nach der Wahl haben manche deutsche Politiker keinen Hehl daraus gemacht, was sie von Trump halten. Haben Sie das verstanden?

Ich habe es als extrem unverschämt empfunden, wie deutsche Politiker, aber auch viele Medien, auf Trumps Wahl reagiert haben. Dass die deutsche Bundeskanzlerin einem amerikanischen Präsidenten erklärt, dass man bereit ist, auf der Grundlage bestimmter Werte miteinander zu reden, obwohl die Verfassung der Vereinigten Staaten gerade diese Wertegrundlage bildet, ist mehr als unangemessen. Wenn ich Donald Trump wäre, würde ich jetzt sagen: Mit Angela Merkel rede ich erst an sechster oder siebter Stelle.

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