
Wo sind die ostdeutschen Achtundsechziger?
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Im Museum in der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit in der Normannenstraße in Berlin können sich Nachgeborene über die SED-Diktatur informieren. Bild: dpa
In der Bundesrepublik fragte die junge Generation, was ihre Eltern in der NS-Diktatur getan hatten. In Ostdeutschland gibt es solche Fragen mit Hinblick auf die SED-Herrschaft nicht. Im Gegenteil, der Vorwurf kommt von den Alten.
Nach der totalen Niederlage des nationalsozialistischen Deutschlands gingen zwei Jahrzehnte ins Land, bis die erste nachgewachsene Generation ihre Eltern zur Rede stellte. Die Befassung mit der Diktatur und deren Verbrechen erschütterte die deutsche Nachkriegsgesellschaft. Der Zusammenbruch des sozialistischen Deutschlands liegt mittlerweile drei Jahrzehnte zurück, doch ein ostdeutsches „Achtundsechzig“ hat es noch immer nicht gegeben. Gewiss lassen sich der nationalsozialistische Vernichtungsterror und das SED-Zwangsregime nicht nebeneinander legen, sie markieren weit auseinanderliegende Punkte auf der Skala diktatorischen Schreckens. Aber die Grundsatzfrage an die Zeitgenossen bleibt die Gleiche: Warum habt ihr Zwang und Unfreiheit anhaltend ertragen und Ungerechtigkeit geduldet?
Es gibt im Wesen der ersten und der zweiten Diktatur gravierende Unterschiede und auch in den Umständen, in denen sie existierten und endeten. Das Ende ist vielleicht am wichtigsten. Die DDR stand 1989 zwar ohnehin vor dem Zusammenbruch; der Apparat der Herrschenden hatte keinen inneren Antrieb und keinen äußeren Schutz mehr. Doch das Ende, von Bürgerrechtsinitiativen angestoßen, kam – nach heute herrschenden Erinnerungseindrücken – durch eine Massenbewegung zustande: Zehntausende auf den Straßen Leipzigs, Hunderttausende bei der Anti-SED-Kundgebung auf dem Berliner Alexanderplatz, unzählige im Strom über die eingerissene Mauer. Es fehlte im Wendewinter des Jahres 1989/90 die doppelte Beschämung, unter der Deutschland 45 Jahre zuvor gelegen hatte, die zweifache Wucht, sich als Besiegte und als Schuldige oder Dulder zu fühlen.
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