Generalmajor Carsten Breuer, Kommandeur des „Kommandos Territoriale Aufgaben“ Bild: Jens Gyarmaty
Von der Berliner Julius-Leber-Kaserne aus koordiniert die Bundeswehr ihre Corona-Einsätze. Anstatt auf Kettenfahrzeugen durch den Wald zu brausen, verteilen Soldaten eines Panzerbataillons jetzt Essen im Pflegeheim.
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Das militärische Hauptquartier der Corona-Bekämpfung liegt in Berlin-Wedding unter Fichten. Auf dem weitläufigen Gelände der Julius-Leber-Kaserne arbeiten in einem unauffälligen Flachbau bis zu vierzig Offiziere und Unteroffiziere rund um die Uhr. Die bald hundert Jahre alte Kaserne hat schon so manches erlebt, darunter den Zweiten Weltkrieg und Jahrzehnte als „Quartier Napoleon“ der französischen Besatzungsmacht in Berlin. Nun wird hier, in der Operationszentrale des „Kommandos Territoriale Aufgaben“, der größte Inlandseinsatz der Bundeswehr seit ihrem Bestehen organisiert.
Generalmajor Carsten Breuer hat das Sagen. Bis in den hintersten Winkel kann er in der Krise Bataillone, Kompanien und Züge unter sein Kommando stellen. „Nicht nur theoretisch“, betont Breuer selbstbewusst, ehe er kurz darauf in den Hubschrauber steigt, um nach Hamburg zu fliegen. Dort sind seit letzter Woche etwa fünfzig Soldaten in Pflegeheimen eingesetzt, um das Personal dort zu entlasten, etwa bei der Essensausgabe.
Breuer ist viel unterwegs, denn die Bundeswehr ist derzeit in allen sechzehn Ländern gefragt, teilweise händeringend. Der erfahrene Offizier war Kommandeur einer Panzerbrigade, diente in Afghanistan, hat im Verteidigungsministerium gearbeitet. Bevor er vor rund zwei Jahren die Zuständigkeit für alle nationalen Katastropheneinsätze übernahm, war Breuer Abteilungsleiter für Einsätze im „Kommando Heer“ in Strausberg.
Auf mehr als 200 Hilferufe von Ländern, Landkreisen oder Städten haben Breuer und sein Stab mit Helfern und Material reagiert. Es sind, wie der Generalmajor betont, allesamt Einsätze im Rahmen der Amtshilfe, wie sie in Paragraph 35 des Grundgesetzes geregelt ist. Dieser Artikel regelt, dass sich Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig dabei helfen sollen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Eine Voraussetzung dafür ist im Falle der Bundeswehr, dass es keine anderen zivilen Möglichkeiten der Unterstützung gibt. Um das rasch zu prüfen, arbeitet in der Operationszentrale immer auch eine Rechtsberaterin, der die Anträge vorgelegt werden. Es geht für die Truppe bei jedem Hilfegesuch um zwei Fragen: Können wir das? Und dürfen wir das?
Am Ende entscheidet Breuer. Wenn die Hilferufe über die regionalen Verbindungskommandos in Berlin eintreffen, soll es in der Regel nicht länger als ein paar Stunden dauern, bis eine Entscheidung gefällt wird. In der Operationszentrale sind jeweils zwei Offiziere für einzelne Bundesländer zuständig. Der Raum wirkt trotz der pflichtgemäßen Abstandshaltung ziemlich eng. Wenige Meter entfernt entsteht gerade eine neues Lagezentrum. Es soll, wenn es fertig ist, auf dem technischen Niveau des Einsatzführungskommandos bei Potsdam sein, von wo aus alle Auslandseinsätze dirigiert werden. Aber diesmal war die Pandemie schneller, das Katastrophen-Kommando muss vorerst improvisieren.
Morgens gegen halb acht treffen sich Breuer und etwa ein Dutzend Mitarbeiter in einem Raum zur Lagebesprechung. Alle sitzen mit dem derzeit gebotenen Abstand zueinander. An der Wand hängen eine große Deutschlandkarte mit ein paar Fähnchen und gegenüber ein großer Bildschirm. Breuers Team ist seit Wochen eingespielt. Die Männer und Frauen in der stark angewachsenen Einsatzzentrale kommen aus verschiedene Teilen der Bundeswehr, Oberst Armin Schaus etwa unterrichtet eigentlich an der Führungsakademie.
Leichte Entspannung für die „Zelle Waldbrand“
Presseoffizier Hauke Bunks ist eigentlich einer der Verbindungsleute des Marine-Inspekteurs zum Bundestag. Dem Ruf ins Krisenmanagement sind beide gern gefolgt. Alles wird am Morgen vorgetragen: von der Wetterlage über die aktuellen Einsatzzahlen, neue Aufträge, bis hin zu eventuellen Gefahrenlagen und aktuellen Presseberichten. Der Wetterbericht ist vor allem deswegen interessant, weil die Bundeswehr zuletzt immer wieder zu Waldbränden gerufen wurde, um etwa mit ihren Transporthubschraubern bei der Feuerbekämpfung aus der Luft zu helfen. Eben erst hatte es an der deutsch-niederländischen Grenze gebrannt. Nun hat es nach Wochen der Trockenheit geregnet, das bedeutet leichte Entspannung für die „Zelle Waldbrand“ in der Operationszentrale.