Wirtschaftspolitik : Wie die Autoindustrie vom Verbrenner wegkommen will
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Neuer Antrieb: Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut betrachtet mit einer Mitarbeiterin des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation eine Beschichtungsmaschine für Batteriezellen. Bild: dpa
Der Wohlstand im Südwesten hängt davon ab, dass Autohersteller, Tüftler und Zulieferer zusammenarbeiten. Wird das Konzept den Wandel zum E-Auto überleben?
Das englische Wort „Cluster“, schwäbisch auch gern „Kluschter“ ausgesprochen, gehört zu Baden-Württemberg wie der Rostbraten. Gemeint ist damit das Zusammenwirken von industrienahen Forschungseinrichtungen, der Zulieferindustrie, den Autoherstellern Daimler, Audi und Porsche sowie den mittelständischen Maschinen- und Anlagenbauern. Der Wohlstand von Regionen wie Heilbronn, Stuttgart oder Ulm hängt im Wesentlichen auch vom Funktionieren und der Innovationskraft dieser Cluster ab.
Zwei Drittel der Fahrzeuge der Autokonzerne werden gar nicht mehr in den Werken im Südwesten gebaut, sondern nah am Absatzmarkt. Die technischen Innovationen stammen aber weiterhin aus diesen schwäbischen Clustern.
Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hält die Cluster in dieser Form „ganz klar“ für ein „Alleinstellungsmerkmal“ des Landes. Das müsse auch so bleiben. Doch was passiert eigentlich mit diesen Clustern, wenn plötzlich neue Hersteller aus Kalifornien auftauchen, sich die Automobilindustrie in einem bisher nicht gekannten Ausmaß neu erfinden und auf die E-Mobilität umstellen muss? Können die Verbünde aus Tüftlern, Ingenieuren, Mittelständlern und Bandarbeitern überleben?
Hoffmeister-Kraut will es genauer wissen und besucht in der Augusthitze kurz vor ihrem Urlaub das Daimler-Werk in Untertürkheim, das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik, die Mobilitätsforscher an der Universität Stuttgart, den Zulieferer Mahle und den Maschinenbauer Gehring in Ostfildern. Gehring baut komplexe Maschinen zur Oberflächenbearbeitung von Zylindern in Verbrennungsmotoren. Die Ingenieure sprechen vom „Honen“, ein Bearbeitungsschritt, der die Motoren sparsamer macht, der aber weder bei der Batterieherstellung noch für den Bau eines Elektromotors nötig ist – alte Mobilitätswelt also.
Die Ministerin steht in der übersichtlichen Werkshalle des Mittelständlers in Ostfildern, auf den Tischen liegen Motorblöcke und schwere Fräswerkzeuge. Der Geschäftsführer Sebastian Schöning begrüßt die Politikerin und zeigt in einer Präsentation, dass der Trend zur E-Mobilität nicht mehr zu bremsen ist. Noch 2015 haben man davon gesprochen, wie man den Verbrenner optimieren könne. „Dann kam der Wendepunkt. Nicht erst seit Greta wollen wir einen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten“, sagt Schöning. Damit gesteht er ein, dass sein Unternehmen noch vor drei Jahren fest an die Zukunft des Verbrennungsmotors geglaubt hat, man sich damals keine Zukunftssorgen machte.
Auf Schönings Präsentation ist links ein gefräster Motorblock zu sehen, rechts ein „Stator“, das wichtigste Teil eines Elektromotors. „Wir gehen jetzt über die Schwelle“, sagt Schöning und führt die Ministerin in einem Vorführraum, in dem neue Gehring-Maschinen haarnadelförmige Kupferdrahtelemente formen, imprägnieren und vollautomatisch in den Stator einsetzen. Gehring konnte sich nur durch den Kauf eines Unternehmens einige der neuen Techniken aneignen. „Wir wissen noch nicht, ob diese Hair-Pins für die großen Hersteller demnächst ein Kaufteil oder ob sie ein selbst hergestelltes, im Haus produziertes Teil sein werden. Aber die Nachfrage ist schon jetzt groß.“