Behandlung von Covid-19 : Ärzte streiten über die korrekte Beatmung
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Extrakorporale Membranoxygenierung eines schwerkranken Corona-Patienten: Das Blut wird außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und von Kohlendioxyd gereinigt. Bild: AFP
Einige Lungenärzte klagen, viele Corona-Patienten würden leichtfertig intubiert. Intensivmediziner, Anästhesisten und andere Pneumologen halten dagegen: Oft sei eine invasive Beatmung lebensnotwendig.
Führende deutsche Intensivmediziner und Anästhesisten wehren sich gegen die Behauptung einiger Lungenfachärzte, an Covid-19 schwer erkrankte Patienten würden vorschnell und zu häufig invasiv beatmet. „Die Covid-19-Patienten, die wir derzeit auf unseren Intensivstationen behandeln, leiden häufig aufgrund der auftretenden Lungenentzündung unter ausgeprägten Gasaustausch-Störungen“, sagt Rolf Rossaint, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) im Gespräch mit der F.A.Z. „Nach einer neuen Studie meines Kollegen Giacomo Grasselli aus der Lombardei ist es leider dort bei den auf der Intensivstation behandelten Patienten nur bei elf Prozent gelungen, sie nicht zu intubieren.“
Der Präsident des Verbandes der Pneumologischen Kliniken (VPK), Thomas Voshaar, hatte kürzlich vor einer leichtfertigen Intubierung gewarnt. „Die Beatmung der Covid-19-Patienten, das frühe, vorschnelle Intubieren also, ist häufig medizinisch nicht gerechtfertigt“, beklagte er im Gespräch mit der F.A.Z. „Für die längere Beobachtung eines Patienten und die Diskussion der Therapie ist im Chaos keine Zeit, deshalb ist häufig vorschnell intubiert, also invasiv beatmet worden“, hatte Voshaar in dem Interview auch mit Blick auf die klinische Praxis in Frankreich und Italien ausgeführt.
Rolf Rossaint, Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Aachen, hält dem entgegen, dass sich bei fast allen an Covid-19 erkrankten Patienten eine Verschlechterung des Gesundheitszustands tückischerweise erst am elften Tag nach dem Auftreten der ersten Symptome erweise. „Die Krankheit tritt dann in die entscheidende Phase, es entsteht bei Patienten mit schwerem Verlauf dringender intensivmedizinischer Behandlungsbedarf“, sagt der DGAI-Präsident.
14 bis 18 Stunden in Bauchlage
Einigen Patienten könne man dann mit Sauerstoffgabe durch Nasensonden und eine nicht-invasive Beatmung helfen. Bei der Mehrzahl der Covid-19-Patienten auf der Intensivstation sei das aber nicht ausreichend, es müsse dann intubiert und künstlich beatmet werden. „Wird nicht rechtzeitig intubiert“, sagt Rossaint, „dann kann es allein durch den hohen Atemantrieb des Patienten schnell zu einer weiteren Zunahme der Lungenschädigung kommen.“
Bei der Beatmung müsse man auf sehr kleine Atemzüge sowie einen hohen positiven Druck in der Lunge am Ende der Ausatmung achten. In dieser kritischen Beatmungsphase müssten diese Patienten meistens 14 bis 18 Stunden pro Tag in Bauchlage positioniert werden. Verschlechtere sich auch unter diesen Maßnahmen der Gasaustausch weiter, müsse das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert und von Kohlendioxid gereinigt werden. Die entsprechenden Geräte und auch das Personal für diese aufwendige „extrakorporale Membranoxygenierung“, auch kurz ECMO genannt, fehlten in einigen italienischen Krankenhäusern.
Bei vielen Patienten versagten während der weiteren Behandlung dann Herz, Niere oder Lunge. „Es handelt sich bei den schwer erkrankten Covid-19-Patienten um Menschen mit einem sehr komplexen intensivmedizinischen Krankheitsbild, eine einfache, primitive Beatmung hilft da nicht“, so der Intensivmediziner und Direktor der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Aachen.