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AfD-Spendenaffäre : Der Wahrheit nicht verpflichtet

Das Wort „Wahrheit“ im Hintergrund: AfD- Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel Bild: dpa

In der AfD-Spendenaffäre rudert der Unterzeichner der Namensliste zurück. Sein neuer Anwalt bestätigte nun, dass die Aufzählung von 14 Spendern frei erfunden war.

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          Vergangenen Herbst wurde bekannt, dass 2017 gut 132.000 Euro auf einem Konto des AfD-Kreisverbands Bodensee eingegangen waren. Es ist der Kreisverband von Alice Weidel, der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag. Und für sie war der in 17 Tranchen gestückelte Geldsegen laut Verwendungszweck auch bestimmt. Unklar war jedoch, wer der oder die Spender waren. Auf den Kontoauszügen stand als Absender das Schweizer Unternehmen PWS Pharma Wholesale International AG. Deren Eigentümer, der Zürcher Apotheker Kurt Häfliger, ließ jedoch über seinen Vertrauten Balz Jegge erklären, dass es sich bei der Überweisung nur um einen Freundschaftsdienst gegenüber einem Geschäftsfreund gehandelt habe. Dieser habe die Gelder von einer europäischen Großbank auf ein Konto der PWS überwiesen – mit der Maßgabe, die Summen an den AfD-Kreisverband weiterzuleiten, sagte Jegge damals der F.A.Z. Zur Identität des Gönners äußerte er sich seinerzeit nicht. Häfligers Anwalt gab kurz danach zu Protokoll, der Geldgeber sei „ein reicher Mann vom Zürichberg“.

          Justus Bender
          Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
          Johannes Ritter
          Korrespondent für Politik und Wirtschaft in der Schweiz.

          Wenige Wochen später lieferte Häfliger eine andere Version des Geschehens. Er stellte eine Liste mit den Namen von 14 überwiegend deutschen Personen zusammen und erklärte, dies seien die Spender. Über die AfD-Bundesgeschäftsstelle wurde die Liste an die Bundestagsverwaltung weitergegeben. Doch schnell tauchte der Verdacht auf, dass hier Strohleute ins Feld geführt wurden. Tatsächlich bestätigte Häfligers neuer Anwalt Valentin Landmann nun, dass die Namensliste frei erfunden war: „Es trifft zu, dass auf dieser Liste im Wesentlichen Leute stehen, die nicht die Spender sind. Herr Häfliger fühlte sich nicht der Wahrheit verpflichtet und hat darum einen Mist unterzeichnet“, sagte Landmann dem „Tages-Anzeiger“.

          „Unterhaltungsabend in geschlossener Gesellschaft“

          „Süddeutsche Zeitung“, WDR, NDR und „Tages-Anzeiger“ wollen herausgefunden haben, dass es sich bei dem „reichen Mann vom Zürichberg“ um Henning Conle handeln dürfte. Der 75 Jahre alte Deutsche, der auch einen Schweizer Pass hat, besitzt mehrere Anwesen am Zürichberg und ist mit dem in der Nähe wohnenden Häfliger bekannt. In der Öffentlichkeit ist der verschwiegene Unternehmer, der gemeinsam mit seiner Familie ein milliardenschweres Immobilienportfolio besitzt und verwaltet, weithin unbekannt. Für eine Stellungnahme war er nicht zu erreichen. In den fünfziger Jahren wurde die Familie Conle durch den Bau von Sozialwohnungen im Ruhrgebiet reich. In Hamburg sollen ihr in den neunziger Jahren 2500 Altbauwohnungen gehört haben; in Zürich gehört der Familie die Miwo AG, die nach eigenen Angaben 2500 Mietwohnungen in der Schweiz verwaltet. Auf Anfrage wollte sich dort niemand zu den Conles äußern.

          Zur politischen Orientierung der Familie finden sich einige Hinweise. So steht der Name von Henning Conle junior, dem Sohn des Patrons, auf der Teilnehmerliste einer Veranstaltung, zu der die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) im November 2014 in Ebnat-Kappel, einer Gemeinde im Kanton St. Gallen, eingeladen hatte. Durch den „Unterhaltungsabend in geschlossener Gesellschaft“ führte der damalige Parteipräsident Toni Brunner. Vor zwei Jahren gehörte Henning Conle zu den Sponsoren der Feier zum hundertjährigen Bestehen der SVP des Kantons Zürich.

          Auch in der AfD war nach dem Eingang der Spenden der Eindruck entstanden, es handele sich um einen deutschen Großspender. Eigenen Angaben zufolge telefonierte der baden-württembergische AfD-Schatzmeister Frank Kral am 14. August 2017 mit Brigitte Hinger, der Kreisschatzmeisterin am Bodensee, auf deren Parteikonto die Spenden eingegangen waren. Schon das Telefonat ist aber strittig. Hinger sagte der F.A.Z., es habe kein solches Gespräch gegeben. Kral aber sagte der F.A.Z., er sei nach dem Telefonat davon ausgegangen, dass die Spenden von einem Deutschen stammten, „weil die Frau Hinger sich mir gegenüber in der Weise geäußert hatte“. An eine explizite Aussage kann Kral sich gleichwohl nicht erinnern. „Ich hatte ihr erklärt, dass sie Spenden nur annehmen kann, wenn sie von Deutschen oder aus dem Vermögen eines Deutschen kommen“, sagte Kral, „da hat sie nicht widersprochen oder in irgendeiner Weise den Eindruck erweckt, dass das nicht so sei“. Am Bodensee sei es nicht ungewöhnlich, dass AfD-Mitglieder in der Schweiz oder in Österreich wohnten, deshalb sei eine Spende aus der Schweiz in seinem Gespräch mit Hinger kein Grund gewesen, „tief zu schürfen“.

          Wären AfD-Vertreter tatsächlich von einem wohlhabenden deutschen Spender ausgegangen, der anonym bleiben will, würde es erklären, warum der Vorgang so schleppend bearbeitet wurde. Laut den von der AfD bei der Bundestagsverwaltung eingereichten Unterlagen zog die Kreisschatzmeisterin erst im Januar 2018 eine Nichtannahme der Spenden in Erwägung. Ihren Angaben zufolge lag dies jedoch allein daran, dass sie die Gesetzeslage für Spenden von Nicht-EU-Ausländern nicht gekannt habe. Im Dezember 2018 vertrat die AfD dann gegenüber der Bundestagsverwaltung die Position, dass die Spenden von „14 Deutschen oder EU-Bürgern“ stammten, weil die Firma PWS dies so erklärt habe. Deshalb liege „kein Verstoß gegen das Verbot von Auslandsspenden“ vor. Falls sich ein deutscher Millionär tatsächlich als Spender herausstellt, würde Gleiches gelten. Es bliebe nur beim Vorwurf einer anonymen Strohmann-Spende; für einen Verstoß gegen das Parteiengesetz müsste die AfD von der Verschleierung aber gewusst haben. Auch bleibt die Frage, ob die AfD die 17 Einzelspenden in der Summe an die Bundestagsverwaltung hätte melden müssen – so wie das im Fall von Einzelspenden ab 50.000 Euro gilt.

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