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Landtagswahlen : So viele Briefwähler wie nie zuvor

In Baden-Württemberg zeichnet sich ab, dass die Hälfte der Wähler ihre Stimme per Brief abgeben könnte. Bild: dpa

Bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz stimmen mehr Bürger denn je per Brief ab. Wem wird das nützen?

          2 Min.

          Bei den zwei Landtagswahlen an diesem Sonntag zeichnet sich eine historisch hohe Beteiligung per Brief ab. Das hat Folgen für den Ablauf und möglicherweise auch für das Ergebnis. Fachleute halten den Ausgang für offener denn je. Unter Bedingungen wie diesmal hat noch keine größere Wahl in Deutschland stattgefunden. Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach sprach gegenüber der F.A.S. von einer „gesellschaftlichen Ausnahmesituation“, die aus der Pandemie und ihren Begleiterscheinungen resultiere.

          Friederike Haupt
          Politische Korrespondentin in Berlin.

          Gewählt wird in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Wahlleiter beider Länder rechnen mit mehr Briefwählern als je zuvor. „So eine Quote werden wir noch nie gehabt haben. Es würde mich nicht wundern, wenn es auf die fünfzig Prozent zuginge“, sagte die baden-württembergische Wahlleiterin Cornelia Nesch der F.A.S.

          Früher gab es klare Unterschiede zwischen Urnen- und Briefwahl

          Ihr Kollege aus Rheinland-Pfalz, Marcel Hürter, hält in seinem Land sogar für möglich, dass der Anteil der Wähler, die per Brief abstimmen, bei zwei Dritteln liegt. Damit hätte er sich im Vergleich zur vorangegangenen Landtagswahl verdoppelt. Die Einschätzungen stützen sich unter anderem auf die Zahl der Bürger, die Unterlagen für die Briefwahl angefordert hatten.

          Ein hoher Anteil von Briefwählern lässt nach Erkenntnissen von Forschern Rückschlüsse auf das Wahlergebnis zu. So konnten davon in der Vergangenheit CDU und Grüne leicht profitieren. Während Teile der CDU-Klientel, nämlich Ältere, ihre eingeschränkte Mobilität per Briefwahl ausglichen, sorgte ein Teil der Grünen-Wähler, nämlich Junge, auf diesem Wege dafür, dass sie trotz besonders hoher Mobilität die Wahl nicht verpassten.

          Nachteile aus einer hohen Beteiligung per Brief ergaben sich bislang am ehesten für die AfD. „Allerdings könnten jetzt wegen der Pandemie auch Bürgerinnen und Bürger per Brief wählen, die das sonst eher nicht tun“, sagte der Stuttgarter Wahlforscher Patrick Bernhagen der F.A.S. „Damit wird der Unterschied zwischen Briefwahl und Urnenwahl schwerer vorherzusagen.“

          Das Unbehagen an der Corona-Politik nimmt spürbar zu

          Dass viele Bürger schon vor Tagen oder Wochen ihre Stimme abgegeben haben, könnte auch von Vorteil für die CDU sein. Sie kämpft gerade mit den Folgen der Maskenaffäre. Diese hat Umfragen zufolge Vertrauen in der Bevölkerung gekostet. Allerdings schätzen Fachleute den Einfluss der Affäre auf die beiden Landtagswahlen als gering ein. Andere Gründe seien weitaus bedeutender. Und je näher eine Bundestagswahl rücke, desto weniger neigten Wähler dazu, von ihnen eigentlich geschätzten Parteien bei Landtagswahlen einen Denkzettel zu verpassen. Im Superwahljahr 2021 findet neben Landtagswahlen in fünf Bundesländern, Kommunalwahlen in zwei Ländern und der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin auch die Bundestagswahl statt.

          Gleichwohl ist der Zeitpunkt der beiden Wahlen an diesem Sonntag aus Sicht von Demoskopen ein besonderer. Thomas Petersen vom Allensbach-Institut beobachtet, dass die Stimmung in der Bevölkerung zu kippen scheine, was die Bewältigung der Pandemie angehe. „Das Unbehagen wächst spürbar.“ Wenig Bedeutung misst Petersen der Tatsache bei, dass der Wahlkampf weitgehend auf Abstand, ohne echte Kontakte zwischen Politikern und Bürgern geführt wurde. „Ich würde diesen Aspekt nicht überbewerten. Persönliche Begegnungen sind im Wahlkampf ein Element von vielen.“ Die Auszählung der Stimmen soll den Wahlleitern zufolge trotz vieler Briefwähler nicht deutlich länger dauern aus sonst.

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