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Debatte über Masern-Impfung : Wäre eine Impfpflicht mit dem Grundgesetz vereinbar?

Unsichtbare Gefahr: Immer wieder gibt es Masern-Infektionen. Bild: Andreas Herzau/laif

Im Streit über eine gesetzliche Pflicht zu Masern-Impfungen will Gesundheitsminister Jens Spahn voranschreiten. Aber die rechtlichen Hürden für einen solchen Zwang sind hoch.

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          Schon bald könnte es eine allgemeine Impfpflicht geben. Jedenfalls will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) dazu Anfang Mai einen Vorschlag unterbreiten. Er hat sich wie die Familienministerin Franziska Giffey (SPD) für verpflichtende Masern-Impfungen bei Kita- und Schulkindern ausgesprochen.

          Heike Schmoll
          Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

          In den Ländern gibt es dazu keine einheitliche Position. Während der brandenburgische Landtag die Potsdamer Landesregierung schon beauftragt hat, Regelungen für eine verpflichtende Masern-Impfung zu schaffen, sprechen sich andere Länder wie Niedersachsen trotz eines Anstiegs der Masern-Erkrankungen dagegen aus.

          „Krankheitserreger kennen keine Grenzen“

          Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) will die Impfpflicht bei der nächsten Sitzung der Jugend- und Familienministerkonferenz Mitte Mai zum Thema machen. Thüringen hat derzeit den Vorsitz der Konferenz inne. Außerdem möchte sich Holter im Erfurter Kabinett dafür einsetzen, dass Thüringen die brandenburgische Initiative im Bundesrat für eine bundeseinheitliche Impfpflicht unterstützt. „Krankheitserreger kennen keine Grenzen, deswegen halte ich ein gemeinsames Vorgehen aller Bundesländer für notwendig“, sagte Holter.

          Unterstützung für eine bundesweite Impfpflicht-Initiative kommt auch aus Nordrhein-Westfalen. Familienminister Joachim Stamp (FDP) sagte der „Rheinischen Post“: „Ich bin für eine generelle Impfpflicht – das gilt auch für Kindergärten.“ Auch Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) machte sich für diese Position stark.

          Andere geben sich zurückhaltend. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder sagte am Sonntag, es gebe derzeit noch keine Veranlassung für eine Impfpflicht. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) wiederum sagte: „Prinzipiell habe ich nichts gegen eine Impfpflicht, aber wir warten jetzt den Gesetzentwurf auf Bundesebene dazu ab.“ Wenn die Impfpflicht im Bund komme, werde sie auch in Berlin gelten. Mit den Impfquoten bei der Schuleingangsuntersuchung liegt Berlin inzwischen bei 97 Prozent für die erste und knapp 93 Prozent für die zweite Masern-Impfung. Dennoch hatte Berlin mehrmals mit größeren Masern-Ausbrüchen zu kämpfen.

          Der hessische Gesundheitsminister Kai Klose (Grüne) kann einer Impfpflicht nicht viel abgewinnen, sondern will höhere Impfquoten mit einer besseren Aufklärung erreichen, was bisher jedoch nicht gelungen ist. „Aus unserer Sicht ist eine Impfpflicht im Moment nicht verhältnismäßig und auch nicht notwendig“, sagte Klose. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte in Hessen forderte allerdings eine verpflichtende Impfung vor Aufnahme in eine Gemeinschaftseinrichtung. Auch Sachsen-Anhalts Ärzte sprachen sich bei einer Kammersitzung am Wochenende dafür aus.

          Eine Impfpflicht für Kita-Kinder ginge weiter als das, was die Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode an schärferen Regeln beschlossen hat. Seitdem müssen Eltern, die ihre Kinder in Kitas schicken wollen, unter anderem eine verpflichtende Impfberatung nachweisen. Eine generelle Impfpflicht ginge weit darüber hinaus.

          Impfpflicht wäre rechtlich schwer durchsetzbar

          Rechtlich ist es nicht leicht, einen Zwang zur Masern-Impfung durchzusetzen. Darauf hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestags schon Anfang 2016 verwiesen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zieht das Rechtsgutachten nicht in Zweifel, schließlich hat er auch das Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen erlassen. Darin findet sich bisher keine Ermächtigung für eine generelle Impfpflicht. Eine Impfung sei ein Eingriff in das „Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit“ und sei verfassungsrechtlich nur dann verhältnismäßig, wenn damit ein legitimes Ziel (also der Schutz der Bevölkerung vor hochansteckenden Infektionskrankheiten) verfolgt werde und der Eingriff „geeignet, erforderlich und angemessen ist“.

          Wenn mit der Impfung das Ziel verfolgt wird, einen Keim auszurotten, dürfte „unter Berücksichtigung der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Einschätzungsprärogative“ ein legitimes Ziel verfolgt werden. Für erforderlich wird eine Impfpflicht nur dann gehalten, wenn die milderen, ebenso geeigneten Mittel wie Impfempfehlungen oder Therapiemöglichkeiten nicht ausreichen. Wegen ihres „freiwilligen Charakters“ hält der wissenschaftliche Dienst sie für weniger geeignet als eine Impfpflicht.

          „Ob ein Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der zu impfenden Menschen unter Inkaufnahme möglicher Impfschäden zugunsten des Schutzes von Gesundheit und des Lebens anderer Menschen angemessen erscheint, lässt sich pauschal nicht beantworten“, so das Gutachten. Es empfiehlt eine Abwägung unter Berücksichtigung verschiedener Krankheiten. Sollte das Risiko sich als gering herausstellen, dürfte eine generelle Impfpflicht einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit darstellen und deshalb verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sein.

          Für verhältnismäßig hält der wissenschaftliche Dienst einen solchen Eingriff in Gestalt einer beschränkten Impfpflicht im Falle der epidemischen Ausbreitung einer übertragbaren Krankheit mit schweren Verlaufsformen. Für eine generelle Impfpflicht müsste also plausibel sein, dass der Schutz der Allgemeinheit vor einer ansteckenden Krankheit, die schon seit 2005 ausgerottet sein sollte, einen Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit rechtfertigt.

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