Vorgehen gegen Salafismus : Im Gefängnis radikalisiert
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Die Attentäter von Paris und Kopenhagen haben sich im Gefängnis radikalisiert. Bild: dpa
Die Radikalisierung durch Salafisten im Gefängnis beschäftigt nach den Anschlägen von Paris und Kopenhagen auch die deutsche Politik. Die Justizminister von Bayern und Baden-Württemberg sehen keine Anzeichen dafür.
Die Attentäter von Paris hatten sich nicht nur im Gefängnis kennengelernt, sie waren dort auch auf einen gewaltbereiten Islamisten getroffen, der sie prägte und radikalisierte. Der Attentäter von Kopenhagen war kurz vor seinen Mordtaten aus der Haft entlassen worden. Spätestens seit den islamistischen Anschlägen von Paris und Kopenhagen ist die Anwerbung und Radikalisierung von Salafisten in Gefängnissen auch in den Fokus der Politik in Deutschland geraten.
Mit einigen seiner Kollegen aus den Bundesländern sprach Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Wochenende in Berlin über das Thema. „Wir sind uns einig, dass wir an dieser Stelle hochsensibilisiert und gemeinsam vorgehen müssen“, sagt der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) am Dienstag. Bei der nächsten Justizministerkonferenz im Juni soll das Thema ebenfalls besprochen werden. Kutschaty will bei dem Treffen auch anbieten, dass Nordrhein-Westfalen die Leitung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe übernimmt, die dabei helfen soll, Erfahrungen auszutauschen, länderübergreifende Strukturen zu schaffen und Handlungsoptionen auszuarbeiten.
Kooperationsansätze gibt es freilich schon. Baden-Württemberg und Bayern veranstalteten am Montag in München die Fachtagung „Bekämpfung des islamistischen Extremismus im Justizvollzug“ für Praktiker und Politiker. Von Sicherheitsfachleuten beider Länder hieß es in München, weder in Bayern, noch in Baden-Württemberg gebe es derzeit Anhaltspunkte für islamistisch-salafistische Netze in Gefängnissen. Auch Kutschaty hat derzeit keine Erkenntnisse, dass Gefangene sich im nordrhein-westfälischen Justizvollzug zusammentun, um islamistische Ziele zu verfolgen. Doch das sei kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen, sagt er und kündigt ein Fünf-Punkte-Programm an. Neben der Zusammenarbeit mit den anderen Ländern will Kutschaty das Schulungs- und Fortbildungsangebot für Justizangestellte ausbauen. Er will mehr Mitarbeiter aus Einwandererfamilien für den Vollzugsdienst gewinnen, die religiöse Betreuung (die derzeit in 30 von 36 Gefängnissen von rund 100 muslimischen Seelsorgern ehrenamtlich geleistet wird) ausbauen und ein Forschungsprojekt auflegen. Dieses Projekt namens „Prävention von Radikalisierung in Justizvollzugsanstalten“ sei in Deutschland bisher „einmalig“.
In solchen Worten sieht die Opposition „Schönrednerei“. Operative Hektik ersetze keine Konzepte, moniert die CDU. Kutschaty habe das Thema verschlafen, heißt es von der FDP. Bereits 2013 habe die Justizministerkonferenz innerhalb und außerhalb der Gefängnisse Deradikalisierungsprogramme gefordert, doch im Strafvollzug des Landes suche man sie bisher vergebens. „Schon lange warnen uns Polizeiexperten: In die JVA geht ein Salafist rein und es kommen fünf bis zehn raus“, sagt Dirk Wedel, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Kutschaty dagegen betont, der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz habe keine Belege dafür, dass sich auch nur ein Islamist in einer JVA des Landes radikalisiert habe.
Doch ist es, wie der bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) am Montag während der Fachtagung in München formulierte, auch „kein neues Phänomen, dass Islamisten gezielt versuchen, im Justizvollzug potentielle Kandidaten für den Dschihad anzuwerben“. In Nordrhein-Westfalen stellte Ende 2012 eine Organisation aus Bonn einen Antrag auf religiöse Seelsorge für Strafgefangene. Eine Überprüfung durch den Verfassungsschutz ergab: Drei der fünf vorgeschlagenen Seelsorger waren einschlägig bekannte salafistische Extremisten.