Verteidigungsministerin von der Leyen : Madame Go bittet zum Gespräch
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Bildsprache eines Verteidigungsministeriums: Die Ministerin entlässt den Staatssekretär Bild: Bundeswehr/Grauwinkel
Am Freitag standen Soldaten ein letztes Mal stramm für Staatssekretär Rüdiger Wolf. Ursula von der Leyen händigte ihm die Entlassungsurkunde aus. Die Formatvorlage dafür erfreut sich derzeit großer Beliebtheit.
Ein Bild spricht: Das Verteidigungsministerium veröffentlicht am Freitagmorgen ein Foto. Es zeigt die Entlassung des Staatssekretärs Rüdiger Wolf. Die neue Ministerin Ursula von der Leyen verliest dem Beamten seine Urkunde. Wolf schaut zerknittert aus wie sein Anzug. Im Bildhintergrund steht ein Offizier stramm.Der zeremonielle Rahmen ist schmucklos, ein Büromöbel ist zu sehen, lieblos drapierte Fahnen. Rechts vom Entlassenen steht ein Aktenkoffer, vielleicht der von Wolf. Mehr Nordkorea geht in Deutschland nicht.
„In ihrer Ansprache dankte von der Leyen dem beamteten Staatssekretär für seine langjährige Tätigkeit“ steht im offiziellen Text. Fast dreißig Jahre war Wolf in verschiedensten Funktionen tätig, er galt als graue Eminenz im „BMVg“. Sie ließ keine zwei Tage vergehen, ehe sie ihn feuerte. Ein Exempel, denn damit stellt sie klar, wer nun überall im Hause Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt ist. Dann wird der neue Staatssekretär vorgestellt, Gert Hoofe, ein langjähriger Weggefährte der Ministerin und ihr jeweiliger Staatssekretär in allen Bundesministerien seit 2005. Hoofe hat wenig Ahnung vom Militär, aber das volle Vertrauen der Ministerin.
Eigentliche Führung des Hauses
Im stillen Selbstverständnis des Ministerialbeamten obliegt dem jeweiligen Staatssekretär die eigentliche Führung des Hauses. Er, inzwischen oft auch: sie, verfügt über langjährige Erfahrung im Apparat, hat sich oft vom Regierungsrat bis ganz nach oben gedient und kennt alles und jeden im Umkreis des Ministeriums oder der Ministerin. Manche dieser Leute sind geradezu legendär, so wie der spätere Bundesbankpräsident und langjährige Finanzstaatssekretär Hans Tietmeyer. Oder auch der kürzlich verstorbene Hans Neusel, der in den achtziger Jahren als Staatssekretär drei Innenministern die Geschäfte führte.
Dass Staatssekretäre zuweilen großen Einfluss auf die alltäglichen Geschäfte haben, verdankt sich beispielsweise dem Umstand, dass die politischen Repräsentanten riesige Mengen ihrer Zeit als Ehrengäste, Festredner, Parteitagsbesucher und Wahlkreisreisende verbringen müssen. Die Staatssekretäre hingegen sind immer im Haus und kennen kaum andere Pflichten als die ministeriellen. Ihr größtes Berufsrisiko ist der Amtswechsel und dann ihr demonstrativer Rauswurf. Frau von der Leyens Vorgänger, Thomas de Maizière, hat das „Leyen-Verfahren“ selbst angewendet, mehrfach. So etwa beim langjährigen Innenstaatssekretär August Hanning, der unter Innenminister Schäuble zumindest die Hälfte des Ministeriums geführt hatte.
Verdiente Altparteifunktionäre
Auch Verteidigungsminister zu Guttenberg wusste sich mit großer schauspielerischer Geste von einem Staatssekretär und dem Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan zu trennen. In der neuen Regierung gibt es wieder erfahrene Spitzenkräfte aus den Apparaten und langjährige Vertraute, die nun ihren Ministern die Tagesgeschäfte führen. Hierbei sind die „beamteten Staatssekretäre“ aber zu unterscheiden von den „Parlamentarischen Staatssekretären“. Diese so bezeichneten Bundestagsabgeordneten gibt es in den Ministerien seit der Zeit der ersten großen Koalition in den sechziger Jahren. Oft sind es verdiente Altparteifunktionäre oder jüngere Leute, die sich keine Hoffnung auf ein Ministeramt machen können, die diese Ämter übernehmen.
Auch die „Parlamentarischen“ können einem Minister gute Dienste leisten, so wie beispielsweise der CDU-Abgeordnete Christoph Bergner, der sich im Innenministerium jahrelang still und fleißig um Aus- und Übersiedlerfragen gekümmert hat. Doch aus der Perspektive der Ministerialbürokratie sind diese „Parlamentarischen“ natürlich keine echten Staatssekretäre. In der neuen Regierung gibt es auch Wander-Staatssekretäre, wie Lutz Stroppe (CDU). Der hatte im Familienministerium gute Dienste geleistet, kann aber unter der neuen SPD-Ministerin nicht bleiben und wechselt deshalb ins Gesundheitsministerium. Der Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche wird im Kanzleramt gebraucht.
In das Innenministerium wechselt im Januar die Karrierediplomatin Emily Haber aus dem Auswärtigen Amt. Innenministerium und Auswärtiges Amt haben traditionell ein Misstrauensverhältnis. Mit Frau Haber will Minister de Maizière da etwas Neuerung wagen. Einen erfahrenen Staatssekretär hat sich auch Andrea Nahles geholt: Jörg Asmussen war Finanzstaatssekretär bei Peer Steinbrück und zuletzt bei der Europäischen Zentralbank tätig. Für Irritation sorgte selbst in Regierungskreisen die Ernennung des Verbraucher-Lobbyisten Gerd Billen zum Verbraucherschutz-Staatssekretär im Justizministerium. Das sei etwas zu viel Lobby-Nähe zum Thema, hieß es. Eine politisch interessante Konstellation hat sich im Wirtschaftsministerium ergeben. Dort berief beziehungsweise beließ der neue Minister Sigmar Gabriel (SPD) sowohl einen Staatssekretär mit grünem Parteibuch, Rainer Baake, als auch einen FDP-Mann, Stefan Kapferer.
Insbesondere diese Personalie war so nicht erwartet worden, denn Kapferer war ein enger Weggefährte von Philipp Rösler, sowohl in der FDP als auch in Niedersachsen. Doch Gabriel will offenbar auch an morgen denken. Davon hatte auch Hans-Jürgen Beerfeltz (FDP) im Ministerium für Entwicklungspolitik zu profitieren gehofft. Noch bei der Amtsübergabe zu Minister Gerd Müller (CSU) war er zuversichtlich, bleiben zu dürfen. Gewissermaßen als lebendiges Friedensangebot zwischen Union und FDP. Inzwischen steht Beerfeltz’ Entlassung fest. Da aber an der Berliner Stresemannstraße offenbar keine öffentliche politische Hinrichtung nötig ist, wird diese Entlassung erst demnächst und still vollzogen.