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Fahrverbote : Verkehrsminister lobt Medizinerinitiative gegen Schadstoff-Grenzwerte

  • Aktualisiert am

Abgase aus einem Diesel-Transporter Bild: dpa

Verkehrsminister Scheuer (CSU) unterstützt die Ärztegruppe, die gegen die Schadstoff-Grenzwerte kämpft. Auch der ADAC fordert eine Überprüfung. Ein anderer Pneumologenverband warnt vor einer „Bagatellisierung“ der Gefahren.

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          Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hält die Zweifel einer Gruppe von Lungenärzten an den geltenden Grenzwerten für Feinstaub und Stickoxide für gerechtfertigt. „Der wissenschaftliche Ansatz hat das Gewicht, den Ansatz des Verbietens, Einschränkens und Verärgerns zu überwinden“, sagte Scheuer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Initiative der mehr als hundert Mediziner sei ein wichtiger und überfälliger Schritt, um „Sachlichkeit und Fakten in die Diesel-Debatte zu bringen“.

          Der ADAC nahm die Veröffentlichung der Ärzte-Stellungnahme zum Anlass, um eine Überprüfung der Grenzwerte zu fordern. „Wenn Bürger von Fahrverboten betroffen sind, müssen sie sich darauf verlassen können, dass die geltenden Grenzwerte wissenschaftlich begründet sind“, sagte der Vizepräsident des Autoclubs, Ulrich Klaus Becker. Die EU-Kommission müsse die wissenschaftliche Grundlage ihrer Grenzwerte rasch unter die Lupe nehmen.

          „Ideologiegeleiteter Populismus“

          In einer am Mittwoch veröffentlichten Stellungnahme bezweifeln die Lungenfachärzte den gesundheitlichen Nutzen der aktuellen Grenzwerte. Sie sehen derzeit keine wissenschaftliche Begründung für sie und fordern eine Neubewertung. So hätten viele Studien, die Gefahren durch Luftverschmutzung zeigen sollen, erhebliche Schwächen. Zudem seien Daten einseitig interpretiert worden.

          Die Gruppe um den Lungenarzt und früheren Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) Dieter Köhler ist in der DGP mit ihren etwa 4000 Mitgliedern jedoch in der Minderheit. Der aktuelle Vorstand der Gesellschaft hatte erst Ende November in einem Positionspapier ausführlich auf Gesundheitsrisiken durch Stickoxid und Feinstaub hingewiesen und sich dabei die Studienergebnisse des renommierten Helmholtz Zentrums für Umweltmedizin zu Eigen gemacht. Die Münchner Forscher sehen erhebliche Gesundheitsgefahren durch Stickstoffdioxid und Feinstaub auch schon in niedrigen Konzentrationen wie den derzeitigen Grenzwerten.

          Der Chefarzt der Stuttgarter Lungenklinik im Krankenhaus vom Roten Kreuz, Martin Hetzel, teilt die Kritik von Köhler: „Es gibt keine Feinstaub- oder Stickstoffdioxid-Erkrankung der Lunge oder des Herzens, die man im  Krankenhaus antrifft. Es gibt auch keinen einzigen Toten, der kausal auf Feinstaub oder Stickstoffdioxid zurückzuführen wäre. Das ist unseriöser, ideologiegeleiteter Populismus“. Köhler und Hetzel bezweifeln auch die Zahlen über Tausende vorzeitiger Todesfälle auf Grund von Stickstoffdioxid, die das Umweltbundesamt mit Verweis auf die Studien des Helmholtz Zentrums verbreitet hat. Für Hetzel sind die Berechnungen der Helmholtz-Forscher konstruierte mathematische Modelle, die mit der Realität nichts zu tun haben: „Es ist einfach nicht plausibel, dass diese geringen Konzentrationen von Stickstoffdioxid und Feinstaub die Gesundheitsschäden und die Todesfälle verursachen sollen, die derzeit publiziert werden.“

          „Irritierend und leichtfertig“

          Holger Schulz, stellvertretender Direktor der Zentrums für Epidemiologie am Helmholtz Zentrum, wies die Kritik der Ärztegruppe um Köhler an den wissenschaftlichen Methoden in einem ausführlichen Gespräch mit FAZ.NET zurück. Die Untersuchungen der Wissenschaftler seien viel umfangreicher als von der Medizinergruppe dargestellt. Sehr wohl würden in den Studien Störfaktoren wie Alkoholkonsum oder Rauchen berücksichtigt, über simple Stadt-Land-Vergleiche oder Korrelationsstudien sei die Wissenschaft längst hinaus. Es sei „irritierend und leichtfertig“ von den Ärzten, „das so einfach vom Tisch zu wischen“.

          Auch der Bundesverband der Pneumologen, eine andere Vereinigung von Lungenärzten, warnt vor einer „Bagatellisierung der Auswirkungen von Luftschadstoffen“. Luftverschmutzung sei in Deutschland „der wichtigste umweltbezogene Risikofaktor“. Die Kritik an einem einzelnen Grenzwert „verfehlt das Thema“, und „der Vergleich mit Alltagsbelastungen, wie zum Beispiel Adventskerzen, macht eine ernsthafte Diskussion (...) schwierig“, heißt es in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme. „Für uns Pneumologen, die wir täglich Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen, Bronchitis und Lungenkrebs behandeln, ist es selbstverständlich, dass die Luftbelastung so weit als möglich herabgesetzt wird.“

          Der Ausstoß von Stickoxiden und Feinstaub aus Dieselmotoren spielt eine große Rolle in der Debatte über Fahrverbote in schadstoffbelasteten Städten. Seit Jahren wird in vielen deutschen Städten vor allem der Grenzwert für Stickoxide überschritten. Eine Klagewelle der Deutschen Umwelthilfe hatte diesen Sachverhalt auf die Agenda der Politik gehoben.

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