Verhinderte Missbrauchsstudie : Kirche in der Welt
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Die verhinderte Studie zum Missbrauch in der katholischen Kirche ist ein Rückschlag für alle, die rückhaltlose Aufklärung fordern. Päpstliche Aufrufe zu einer neuen Spiritualität können wieder als Flucht vor einer Welt gedeutet werden, in der die Kirche mit sich selbst nicht fertig wird.
Wer daran schuld ist, dass die wissenschaftliche Studie über sexuellen Missbrauch an Jugendlichen in der katholischen Kirche nicht wie geplant zustande kommt, ist von außen schwer zu beurteilen: der Verband der Diözesen Deutschlands oder das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen unter seinem Direktor Pfeiffer schieben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Klar ist dagegen jetzt schon, wer in dieser Auseinandersetzung am Schluss der Verlierer sein wird: die Kirche.
Das lässt sich schon am asymmetrischen Verhältnis der Streitenden ablesen. Auf der einen Seite steht der mediengewandte Professor mit politischer Erfahrung; auf der anderen eine Institution, die sich mit ihrer medialen Selbstdarstellung immer schwer getan hat. Der eine ficht für Freiheit und Reinheit der Wissenschaft, die andere Seite ist schon deshalb in der Defensive, weil in ihren Reihen die Schuldigen sind - nicht nur Täter, sondern auch jene, die unzweifelhaft an Vertuschungsversuchen beteiligt waren.
Die Hoheit über die Interpretation der Fakten verloren
Man kann füglich daran zweifeln, ob in diesem Komplex letzte wissenschaftliche Klarheit oder gar Wahrheit wirklich zu erreichen gewesen wäre. Alle Differenzierungen dürften beispielsweise wenig an dem verbreiteten (Vor-)Urteil ändern, dass die sexuelle Verdrängungsleistung, die mit dem Zölibat verbunden ist, einer der Gründe, wenn nicht der Hauptgrund, für die erschreckend vielen Missbrauchsfälle ist, die inzwischen in vielen Ländern aktenkundig geworden sind.
Die Kirche hätte wissen müssen, dass, wenn die Untersuchung einmal in Händen von Wissenschaftlern ist, sie die Hoheit über die Interpretation der Fakten verloren hat. Datenschutzgründe und die Sorgfaltspflicht für angestellte Personen, die jetzt angeführt werden, um die Aufkündigung des Vertrags mit Pfeiffers Institut zu rechtfertigen, wirken da wie Ausflüchte - man hätte es sich schlicht vorher überlegen müssen, ob man die Untersuchung jemanden anvertrauen sollte, der für mediale Paukenschläge bekannt ist.
Das ist ein Rückschlag für all jene in der Kirche, die für rückhaltlose Aufklärung plädieren, und damit wird daraus auch ein Glaubwürdigkeitsverlust für die Kirche als Ganze. Päpstliche Aufrufe zu einer neuen Spiritualität wirken schal, weil sie nun wieder einmal als Flucht vor einer Welt gedeutet werden können, in der die Kirche mit sich selbst nicht fertig wird.