Enttarnter BfV-Mitarbeiter : Am Telefon zum Islam konvertiert
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Nachdenklich: BKA-Präsident Münch, Verfassungsschutzchef Maaßen und Innenminister de Maizière Bild: dpa
Der Verfassungsschutz stellte im April einen Mitarbeiter ein, der Islamisten observieren sollte. Nun stellt sich heraus, dass er selbst einer ist.
Vor zwei Jahren veröffentlichte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) eine Mitteilung mit einer etwas lustigen Überschrift – zumindest gemessen an den Mitteilungen, die die deutschen Sicherheitsbehörden sonst so verschicken. Dabei sollte sie gerade nicht lustig sein. „Kein Witz, sondern ein gutes Angebot – Bundesamt für Verfassungsschutz sucht qualifizierten Nachwuchs“ stand über dem anderthalbseitigen Schreiben mit Datum vom 17. Dezember 2014.
Der deutsche Inlandsnachrichtendienst, dessen Hauptsitz in dem nicht gerade als Villenviertel verschrieenen Kölner Stadtteil Chorweiler liegt, hatte mal wieder Anzeigen geschaltet, um das Personal aufzustocken. Weil BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen der Operation Schwung geben wollte, wurde die Pressemitteilung verschickt.
Eine Bedrohung für das Land eingestellt
Maaßen rühmte die „interessanten und vielfältigen Aufgaben“, die sein Haus zu bieten habe. Neben IT-Fachleuten, Fremdsprachlern und Verwaltungskräften wurden „Observationskräfte“ gesucht. Auch wenn jener BfV-Mitarbeiter, der jetzt als mutmaßlicher Islamist verhaftet wurde, vielleicht nicht auf den Aufruf des Bundesamtes vom Dezember 2014 reagiert haben sollte, so muss er wenig später von dem Bedarf an Observierungskräften erfahren haben.
Der 51 Jahre alte frühere Bankangestellte bewarb sich für eine Observierungstätigkeit. Er erfüllte die Voraussetzungen, zu denen unter anderen eine abgeschlossene Berufsausbildung, gutes Sehvermögen und körperliche Fitness gehören. Er wurde als Quereinsteiger angenommen und begann im April dieses Jahres seine nachrichtendienstliche Tätigkeit. Um einen Verdächtigen eine Woche zu beobachten, werden mehrere Trupps gebraucht, insgesamt kommt man leicht auf dreißig Mitarbeiter. Die Trupps bestehen aus drei, vier Personen und arbeiten in Schichten, die sechs bis sieben Stunden dauern.
Der Mann, der jetzt verhaftet wurde, gehört eindeutig nicht zu denjenigen, über die Maaßen in der Pressemitteilung geäußert hatte: „Sie tragen mit ihrer Arbeit entscheidend zur Sicherheit in unserem Land bei.“ Ganz im Gegenteil war er offenkundig eine erhebliche Bedrohung für das Land und auch für den Verfassungsschutz selbst.
Maaßen: Die Familie wusste von nichts
Maaßen sagte am Mittwoch in Saarbrücken, wo die Innenminister von Bund und Ländern zu ihrer Herbsttagung zusammengekommen waren, bei der Einstellung des Islamisten seien alle Sicherheitsstandards eingehalten worden. Diese seien „sehr, sehr hoch“. Unter anderem seien „fünf Referenzpersonen“ befragt worden, bevor der mehrfache Familienvater eingestellt worden sei. Allerdings sei es in seinem Fall besonders schwierig gewesen, seine wahre Motivation zu erkennen. Der Mann habe im Dienst „gute Arbeit“ geleistet, seine Familie habe nichts von seiner Konversion zum Islam gewusst. Diese hat nach den bisherigen Erkenntnissen vor der Einstellung und am Telefon stattgefunden.
Maaßen sagte, der Verfassungsschutz habe schon „viele“ Bewerber „ausfiltern“ können, die entweder Extremisten waren oder ausländischen Diensten zuarbeiten wollten. Dass der Islamist nun entlassen und zum Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geworden sei, sei kein Zufall, sondern „Ergebnis professioneller Arbeit“. Aufgeflogen war der Mann im Zuge der Ermittlungen gegen den islamistischen Prediger Abu Walaa, einen Iraker, der eigentlich Ahmad Abdulazis Abdullah A. heißt. Der war am 8. November gemeinsam mit vier weiteren mutmaßlichen Terrorhelfern festgenommen worden.
Die Bundesanwaltschaft wirft den Männern vor, ein islamistisches Netz gebildet zu haben, dessen Ziel es gewesen sei, junge Leute zu radikalisieren und ihre Ausreise ins syrisch-irakische Kriegsgebiet zu organisieren. Abu Walaa galt als eine der führenden Persönlichkeiten des „Islamischen Staats“ (IS) in Deutschland. Rund um die Verhaftung Abu Walaas hatte der Verfassungsschutz besonders intensiv in der ihn umgebenden islamistischen Szene recherchiert. Dabei hatte ein verdeckter Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in einem Chat Kontakt mit dem jetzt enttarnten BfV-Mann.
„Zu allem bereit, um den Brüdern zu helfen“
Der Maulwurf im Bundesamt wurde über Wochen von seinem Arbeitgeber observiert. Der bereits in der vorigen Woche festgenommene Mann hatte sich in einem Internet-Chat unter falschem Namen dschihadistisch-salafistisch geäußert und sich als Mitarbeiter der Bundesbehörde offenbart. Er hatte Amtsinterna preisgegeben und angeboten, weitere sensible Informationen über das BfV zu liefern. Zudem schlug er seinem Chat-Partner nach Angaben der ermittelnden Düsseldorfer Staatsanwaltschaft vor, Gleichgesinnten Zugang zum BfV für eine Gewalttat gegen „Ungläubige“ zu verschaffen, da dies „sicher im Sinne Allahs“ sei; er sei „zu allem bereit, um den Brüdern zu helfen“. Was er nicht wusste: Sein Chat-Partner war der verdeckte BfV-Mitarbeiter.