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AfD als Verdachtsfall : „Verfassungsfeindliche Bestrebungen“

Ordner voller umstrittener Äußerungen: AfD-Chef Tino Chrupalla am Dienstag im Gerichtssaal in Köln Bild: dpa

Ein Urteil nach zehn Stunden: Der Verfassungsschutz darf die AfD beobachten. Trotzdem erringt die Partei einen kleinen Erfolg.

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          Prunkvolle Lüster, samtbezogene Stühle, goldumrandete Türen: Der Kristallsaal im Kölner ­Messezentrum ist ein ungewöhn­licher Ort für ein Verwaltungsgerichts­verfahren. Das Verfahren selbst ist nicht weniger ungewöhnlich. Die 13. Kammer des Kölner Verwaltungsgerichts hat darüber zu befinden, ob der Verfassungsschutz die AfD und ihre Teilorganisationen beobachten darf. Eine politisch brisante Frage, die aber von der Justiz nicht politisch gelöst werden darf. Das Gericht muss klären, wann die wehrhafte Demokratie gegen Parteien vorgehen darf und wann die Auseinandersetzung dem Meinungskampf überlassen werden muss.

          Helene Bubrowski
          Politische Korrespondentin in Berlin.

          Im Januar 2019 hatte der Verfassungsschutz bekanntgegeben, dass er die AfD in den Blick nimmt. Seitdem schwelt der Konflikt. Der Stoff, über den hier gestritten wird, füllt mehr als 130 Akten, teils doppelseitig beschriftet. Sie stehen in mehrfacher Ausführung in dem umfunktionierten Festsaal. Die Materie sei „äußerst komplex“, sagt der Vorsitzende Richter Michael Huschens am Morgen zu Beginn der Verhandlung. Huschens führt souverän durch diesen langen Tag. Freundlich, aber bestimmt mahnt er beide Seiten, zum Punkt zu kommen, sich nicht in der Fülle der umstrittenen Äußerungen zu verlieren. Die Fronten zwischen Verfassungsschutz und AfD sind verhärtet, aber der Ton der gesamten Verhandlung ist konstruktiv, an keiner Stelle krawallig.

          Genau ein Jahr hat die Behörde gewartet

          Es dauert zehn Stunden, bis das Gericht das Urteil verkündet. Der Verfassungsschutz darf die AfD als Verdachtsfall einstufen. Genau ein Jahr hat die Behörde darauf gewartet. Im vergangenen März hatte sie die Einstufung vorgenommen, doch die AfD wehrte sich per Eilantrag und das Gericht untersagte dem Verfassungsschutz vorerst, über die Einstufung zu sprechen und die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu überwachen. Vor der Bundestagswahl wollte das Gericht nicht entscheiden, „aus Respekt vor dem Wähler“, wie es hieß. Am Dienstag um kurz vor 20 Uhr sagt Richter Huschens dann die maßgeblichen Worte: „Wir haben in den Unterlagen ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD gefunden.“

          Tatsächliche Anhaltspunkte, so steht es auch im Verfassungsschutzgesetz. Huschens zitiert am Morgen eine juristische Definition: „in einem gewissen Umfang verdichtete Umstände als Tat­sachenbasis“. „Was auch immer das bedeuten mag“, fügt er an und hat eine eigene plastische Beschreibung parat. Der Verdachtsfall sei wie eine Gefahrerforschungsmaßnahme: „Wenn etwas nach Öl riecht, kann die Polizei Probebohrungen vornehmen.“ So sah es 2010 auch das Bundes­verwaltungsgericht: In der sogenannten Ramelow-Entscheidung heißt es, dass eine Partei nicht nur dann beobachtet werden darf, wenn es in der ganzen Partei ver­fassungsfeindliche Bestrebungen gebe, sondern auch dann, wenn sie innerlich ­zerrissen ist und ein extremistischer und gemäßigter Teil miteinander kämpfen. Denn nur so sei festzustellen, in welche Richtung sich die Partei entwickeln könne.

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