Verfassungsgericht lehnt Eilantrag ab : SPD-Mitgliederentscheid rechtens
- Aktualisiert am
Goslar: Sigmar Gabriel gibt seinen Stimmzettel für das Mitgliedervotum ab. Bild: dpa
Der SPD-Mitgliederentscheid über eine große Koalition verstößt nach Auffassung des Verfassungsgerichts nicht gegen das Grundgesetz. Bis Freitagmittag gingen derweil schon knapp 200.000 Wahlunterlagen bei der SPD ein.
Die SPD darf ihre Mitglieder über das Zustandekommen der großen Koalition abstimmen lassen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren am Mittwoch entschieden und damit einen Antrag abgelehnt, den eine Privatperson gestellt hatte, um die Mitgliederabstimmung untersagen zu lassen. Nach Ansicht der Karlsruher Richter verletzt die Mitgliederabstimmung die Abgeordneten der SPD nicht in ihrem verfassungsrechtlich abgesicherten freien Mandat (Artikel 38 des Grundgesetzes).
Die politische Einbindung des Abgeordneten in Partei und Fraktion sei verfassungsrechtlich nicht nur erlaubt, sondern sogar gewollt, heißt es in der Begründung des Beschlusses. Ohne Parteien könne eine stabile Demokratie in großen Gemeinschaften nicht gelingen. Auch die Fraktionen seien notwendige Einrichtungen des Verfassungslebens. Durch solche organisatorischen Zusammenschlüsse geht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts die Freiheit des Abgeordneten aber nicht verloren.
Parteien können selbst entscheiden
Schließlich sind die Mandatsträger, so die Argumentation des Gerichts, trotz Fraktionsdisziplin bei Abstimmungen nur ihrem Gewissen unterworfen. Die Parteien könnten dabei selbst entscheiden, auf welche Weise sie den Willensbildungsprozess vorbereiten. Eine Mitgliederabstimmung der SPD über die große Koalition – wie auch immer sie ausfällt – begründet nach Auffassung des Gerichts für die Abgeordneten keine stärkere Verpflichtung als die ohnehin bestehende Fraktionsdisziplin.
Berlin : Viele Fragen zu SPD-Mitgliederentscheid
Das Bundesverfassungsgericht prüfte im Eilverfahren, ob eine Verfassungsbeschwerde Aussicht auf Erfolg hätte. Nur in diesem Fall könnte das Gericht die Mitgliederabstimmung durch eine einstweilige Anordnung untersagen. Die Verfassungsbeschwerde scheitert nach Ansicht der Richter nicht nur an der fehlenden Verletzung von Verfassungsrecht, sondern auch daran, dass die Abstimmung über den Koalitionsvertrag kein Akt öffentlicher Gewalt ist, der mit einer Verfassungsbeschwerde angegriffen werden könnte. Öffentliche Gewalt geht in der Regel vom Staat aus. Parteien seien nicht Teil des Staates, argumentieren die Verfassungsrichter. Sie wirken im Prozess der politischen Willensbildung lediglich in den Bereich der Staatlichkeit hinein.
Erforderliche Teilnehmerzahl schon erreicht
Am SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag mit der Union haben sich unterdessen schon vor Ablauf der Frist ausreichend viele Parteimitglieder beteiligt. Bis Freitagmittag gingen knapp 200.000 Wahlunterlagen bei der SPD ein, wie aus einer AFP vorliegenden E-Mail von Generalsekretärin Andrea Nahles an die Parteimitglieder hervorgeht. Das für die Gültigkeit des Votums benötigte Quorum von 20 Prozent der rund 475.000 SPD-Mitglieder war damit bereits klar übertroffen.