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„Urban-Gardening“ : Zurück zur Natur!

Gärtnern im Wandel: Auf dem ehemaligen Tempelhofer Flugfeld bauen Hobbygärtner Gemüse an. Bild: Matthias Lüdecke

Viele Menschen zieht es wieder hinaus ins Grüne. Und wer keinen sonderlich grünen Daumen hat, kann seine karge Ernte immerhin noch mit politischen Überzeugungen garnieren.

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          Die Sonne steht fast senkrecht über den Gärten. Hier und dort sind Stimmen zu hören, Bienen summen, der Kies knirscht auf dem Weg zwischen den Parzellen. Ein Mann und eine Frau laufen durch die Schrebergartenanlage, er ein paar Schritte vorneweg, sie, mit Kopftuch, hinterdrein. Die beiden blicken mal rechts, mal links in die Gärten, auf die mannshohen Sonnenblumen, die Weinreben, an denen schon die Trauben hängen, wenn auch noch grün und hart, auf die fetten Zucchini, die auf der Erde liegen, auf die Rosen, deren Blüten verwelkt sind. Ab und an wird gegrüßt, über die Trockenheit, die viele Arbeit gesprochen, wird der Garten bewundert. Andernorts verstecken sich die Gärtner hinter dichten Hecken, lassen kaum eine Ahnung der dahinter liegenden Idyllen zu.

          Julian Staib
          Politischer Korrespondent für Norddeutschland und Skandinavien mit Sitz in Hamburg.

          Vor dem Vereinshaus, das sich am Rand der großen Gartenanlage in der Nähe der Frankfurter Innenstadt befindet, sitzen unter den bunten Sonnenschirmen eines Brauereiunternehmens ein paar Leute. Drinnen findet heute die jährliche Versammlung der Schrebergartenmitglieder statt. „Anlagenjahreshauptversammlung“, und das Wortungetüm trifft genau den Charakter der Versammlung. Rund hundert vor allem ältere Vereinsmitglieder sind da, einige haben ein Pils vor sich auf dem Tisch.

          Gleich am Anfang meldet sich ein altgedientes Vereinsmitglied zu Wort. Der Mann hält eine längliche Rede, es geht im Grunde um seine Leistungen im Vorstand. Dann soll der Kassierer berichten. Aber der ist weg, wohl auf Toilette. „Mit oder ohne Kasse?“, ruft einer, und dann wird gelacht. Später werden in einer längeren Prozedur die Vorstandsmitglieder gewählt. Alle behalten ihre Posten, denn es gibt keine Gegenkandidaten, und zum Glück will keiner aufhören. Oft, so wird erzählt, gebe es Schwierigkeiten, die Positionen neu zu besetzen.

          „Urban Gardening“ ist der neue Trend

          Dabei hat der Verein eigentlich keine Nachwuchssorgen. Leider stünden zur Zeit keine Gärten zur Verfügung, steht auf einem Zettel vor dem Vereinshaus zu lesen. Auch könne niemand mehr auf die Warteliste aufgenommen werden. Mehr und mehr junge Leute drängen in die Vereine, suchen ein bisschen Grün in der Stadt. Aber nicht nur die Schrebergärten erhalten Zulauf. Andere Leute gärtnern gemeinschaftlich, auf Parkplätzen oder in Parks, und nennen das neudeutsch und als hätte es zuvor nie Gärten in der Stadt gegeben, „urban gardening“.

          Wieder andere betrachten Gärtnern als Konsumkritik und neuen Gesellschaftsentwurf, halten Bienen auf dem Balkon oder Hühner im Hinterhof („urban farming“). Einige gärtnern auch „interkulturell“, um Flüchtlinge zu integrieren, und die radikalsten Gärtner haben gar keine eigene Parzelle sondern stecken nachts Blumenzwiebeln in öffentliche Grünstreifen und nennen das dann „guerilla gardening“.

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