„Unteilbar“-Demonstration : Der gute Zweck und seine Mittel
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Mehr als gedacht: Die „Unteilbar“-Demonstration in Berlin im Oktober 2018 Bild: dpa
Am Samstag wollen Tausende bei der „Unteilbar“-Demonstration in Dresden auf die Straße gehen. Das von der SPD unterstützte Bündnis will für Solidarität statt Ausgrenzung stehen. Ist diese Haltung vereinbar mit Verbindungen zu Linksextremisten?
Die Mobilisierung läuft: 50 Busse seien gebucht, auch zwei Sonderzüge aus Berlin sollen Demonstranten an diesem Samstag nach Dresden bringen. Die Organisatoren von „Unteilbar“ sind zufrieden. So nennt sich das Bündnis, das nach eigener Aussage für eine offene und freie Gesellschaft eintritt und für Solidarität statt Ausgrenzung wirbt. Im vergangenen Jahr gab es in Berlin die erste Demonstration unter diesem Motto. Es waren 40.000 Demonstranten erwartet worden, es kamen 240.000, die vom Berliner Alexanderplatz zur Siegessäule zogen. Dieses Jahr rechnet die Stadt Dresden mit 25.000 Teilnehmern, womöglich werden es aber wieder deutlich mehr. Denn vor einem Jahr war der Anlass diffus. Dieses Jahr sind die Landtagswahlen im Osten, vor allem die in Sachsen am 1. September, Anlass des Protests und Dresden der passende Ort dafür. Die Demonstration tritt diesmal nicht nur für etwas ein, sondern sie hat auch einen klaren Gegner: die AfD. Dreißig Jahre nach dem Mauerfall inszeniere die AfD sich als Anwältin der Bürgerrechtsbewegung, sagen die Initiatoren.
„Unteilbar“ hat prominente Unterstützung: Die Bundes-SPD verschickte Mitte Juli eine Pressemitteilung, in der sie verkündete, dem „Unteilbar“-Bündnis beigetreten zu sein. Allerdings wird die Regierungspartei damit Teil eines Zusammenschlusses, den selbst manche Sozialdemokraten kritisch bewerten, auch wenn sie die grundsätzlichen Ziele der Demonstration unterstützen. Nach der Demonstration im vergangenen Jahr gab es massive Kritik. Im Grunde ging es um den Vorwurf: So weltoffen und „unteilbar“, wie das Bündnis behauptet zu sein, ist es gar nicht.
Seehofer und Merkel werden als „Schweine“ bezeichnet
Die Kritik beginnt schon beim Anmelder, einem Anwalt aus Berlin. Auf seiner Internetseite gibt er an, Mitglied der „Roten Hilfe“ zu sein. Die unterstützt nach eigener Aussage linke Aktivisten, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Sie wird im Verfassungsschutzbericht 2018 als linksextremistische Organisation geführt. Felix Müller und Maximilian Becker, Sprecher von „Unteilbar“, nennen das „politische Diffamierung“. Im Gespräch wird deutlich, dass sie der Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden grundsätzlich misstrauen.
Auch wenn die ganz überwiegende Mehrheit der mehreren hundert Gruppen und vielen tausend protestierenden Einzelpersonen friedlich demonstrierte, irritierten und provozierten einige Teilnehmer. Denn nicht nur kirchliche Organisationen, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Künstler, Wissenschaftler und Politiker hatten sich der Demonstration angeschlossen, sondern zum Beispiel auch die „Antifa Nordost“. Ein Redner schimpfte über Mikrofon und Lautsprecher auf die Politik und das „System“. Er forderte ein Ende des Verbots der PKK, der kurdischen Terrororganisation. Am Ende des mehr als achtminütigen Beitrags, der noch heute auf Youtube zu sehen ist, hieß es: „Es ist wichtig, dass wir eben nicht friedlich sind, sondern diesen Verhältnissen, dieser Gesellschaft den Kampf ansagen und solche Schweine wie Seehofer und Merkel aus dem Amt jagen.“ Die umstehenden Demonstranten klatschten. Ein Protest-Banner zeigte neben dem Schlagwort „#ausgehetzt“ die Gesichter des Bundesinnenministers Horst Seehofer, des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und des CSU-Landesgruppenvorsitzenden Alexander Dobrindt. Ein Mann verkündete, dass in Palästina Menschen systematisch ermordet würden, und zog Parallelen zur Judenvernichtung. Zwei Tage nach der Demonstration distanzierten sich die Organisatoren von „Unteilbar“ von dieser Aussage und teilten mit, dass dieser Beitrag „eindeutig den gemeinsamen Boden unseres Konsenses“ verlasse.
Zu anderen Vorfällen auf der Demonstration gab es hingegen keine Distanzierung. Etwa, dass nicht erwünscht war, die Deutschlandfahne zu tragen oder zu schwenken, einzelne Demonstrationsteilnehmer gar angegangen worden sein sollen, weil sie mit Deutschlandfahne kamen. Von „Unteilbar“ hieß es nur: „Die Flagge ist gerade unglaublich von rechts konnotiert.“ Vertreter der Jugendorganisation der FDP berichteten, dass sie bedrängt worden seien. Das Mitleid bei „Unteilbar“ hält sich in Grenzen. „Wir sind nicht die große Integrationsmaschine für alle politischen Richtungen, sondern haben klare politische Grundsätze.“
Auch für die Demonstration an diesem Samstag wünschen sich die Organisatoren, dass die Teilnehmer ohne Fahnen kommen – und wenn, dann bitte mit Gewerkschaftsfahne, Refugees-Welcome-Fahne oder Regenbogen-Fahne. Die SPD darf auch ihr eigenes Banner mitbringen, soll sich aber wenn möglich hinten im Demonstrationszug einreihen. Man sei schließlich politisch, aber nicht parteipolitisch. „Wir verstehen uns als außerparlamentarische Opposition“, sagen die „Unteilbar“-Sprecher. Über die Unterstützung der Bundes-SPD und des sächsischen Landesverbands freue man sich. Allerdings könne man dem Bündnis nicht „beitreten“, wie es die Partei formuliert hatte. Auch etwas rätselhaft bleibt, warum die SPD einer großen Öffentlichkeit ihre Unterstützung bekanntmacht, wo das Bündnis die aktuelle Politik heftig kritisiert und sogar ablehnt. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer wird deswegen auch nicht an der Demonstration teilnehmen. „Ich finde es gut und wichtig, dass es Menschen gibt, die die Demokratie und den Rechtsstaat bei der ,Unteilbar‘-Demonstration verteidigen möchten“, sagte er der Zeitung „Freie Presse“. Aber „der Zweck heiligt nicht immer die Mittel“.