Umgang mit Flüchtlingen : Keine Strafverfolgung bei Ladendiebstahl?
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Ein Polizeifahrzeug im November 2015 in Kiel Bild: Picture-Alliance
Polizei und Staatsanwaltschaft in Kiel einigten sich im Oktober offenbar darauf, kleinere Diebstähle und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge ohne Ausweispapiere nicht zu verfolgen. Inwieweit die vorläufige Vereinbarung umgesetzt wurde und ob sie noch gilt, ist unklar.
Im Oktober des vergangenen Jahres einigten sich die Polizei in Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel und die Staatsanwaltschaft offenbar darauf, kleinere Diebstähle und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge, die keine Papiere vorweisen können, nicht zu ahnden. Laut einem internen Protokoll, über das die Zeitung „Kieler Nachrichten“ und die Deutsche Presse-Agentur berichten, gab es am 7. Oktober eine Absprache „hinsichtlich des Umgangs mit strafrechtlich auffälligen Flüchtlingen, deren rechtmäßige Personalien nicht eindeutig feststehen“.
Solange es keine landesweite Regelung gebe, heißt es in dem Protokoll, solle es auch „keine Personenfeststellungsverfahren oder erkennungsdienstliche Behandlung“ geben. Der Aufwand sei zu hoch, der Erfolg zu gering. Es sei denn, ein Dolmetscher stehe gerade zur Verfügung oder es sei klar, in welcher Flüchtlingsunterkunft der Beschuldigte lebe. Bei schwereren Straftaten solle die Polizei jedoch Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft nehmen.
In welchem Umfang diese Regelung umgesetzt wurde und ob sie derzeit noch gilt, ist unklar. Die Bild-Zeitung zitiert in einem Bericht die Polizei Kiel mit der Aussage, dass die Regelung durch ein neues Rundschreiben von Ende Dezember inzwischen „überholt“ sei - verweist aber auch darauf, dass ihr das Rundschreiben vorliege und keine entsprechende Anweisung enthalte. Polizei und Innenministerium in Schleswig-Holstein wollten sich am Donnerstagvormittag zunächst nicht offiziell zu dem Vorgang äußern. Die Polizeidirektion Kiel teilte mit, „In den vergangenen Tagen ist der falsche Eindruck erweckt worden, dass die Polizei bei einfachen Straftaten Flüchtlinge regelmäßig strafrechtlich nicht verfolge“, und kündigte eine Pressekonferenz für Donnerstagnachmittag an.
Der FDP-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Kubicki spricht von einem „in einem Rechtsstaat unglaublichen Vorgang“. Daniel Günther, der Fraktionsvorsitzende der CDU, sagt: „Der Eindruck, dass in Schleswig-Holstein zweierlei Recht gelten könnte, muss unverzüglich aus der Welt.“
Das Protokoll diente offenbar der rechtlichen Absicherung eines Zustandes, der ohnehin zur Praxis geworden war. Schleswig-Holstein war bislang von der Flüchtlingskrise besonders betroffen, weil viele Asylsuchende weiter nach Schweden wollten. Die meisten waren nicht registriert.
Erst Ende der vergangenen Woche war bekanntgeworden, dass die Polizei im Norden, ebenfalls staatsanwaltschaftlich abgesichert, die Anweisung bekommen hatte, Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht zumindest bei syrischen und irakischen Flüchtlingen nicht zu verfolgen. Begründet worden war das mit einer „Einladung“, welche die Kanzlerin im September ausgesprochen habe.
Schleswig-Holsteins Innenminister Stefan Studt (SPD) hatte immer wieder betont, es gebe durch die Flüchtlinge keine Auffälligkeiten in der Kriminalitätsentwicklung. Erst am Dienstag hatte er gefordert, zu einer sachlichen Auseinandersetzung und zu „Maß und Mitte“ zurückzukehren. Laut offizieller Statistik kamen im vergangenen Jahr mehr als 55.000 Menschen in das Land, 35.000 blieben.