Umfrage zu Toleranz : Jugendliche sind der Flüchtlingsthematik überdrüssig
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Schüler unterrichten 2015 in Eisenhüttenstadt Asylbewerber im Fach Deutsch. Laut einer Forsa-Umfrage glauben viele Jugendliche, dass soziales Engagement den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärkt. Bild: dpa
Für viele junge Erwachsene spielt das Thema Flüchtlinge im Alltag eine geringe Rolle, zeigt eine Forsa-Umfrage. Trotzdem sieht sich die AfD durch die Erhebung in ihrer Haltung zu Islam und Zuwanderung bestätigt.
Sei es als Opfer oder Beobachter – Diskriminierung aufgrund von Herkunft oder Aussehen ist vielen Jugendlichen in Deutschland vertraut. Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung durchgeführt hat. Drei Viertel der Befragten im Alter zwischen 16 und 25 Jahren gab an, bereits Situationen erlebt zu haben, in denen Menschen diskriminiert worden seien. Zwei Drittel teilten die Einschätzung, dass die Diskriminierung und Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Aussehens in den vergangenen Jahren zugenommen hätten.
In der Umfrage zum Thema „Toleranz und Vielfalt“ gaben 71 Prozent der Befragten zudem an, dass die Medien der Flüchtlingsproblematik zu viel Raum geben und dadurch andere wichtige Themen verdrängen würden. Im privaten Umfeld spielt die Flüchtlingspolitik für die meisten demnach eine eher geringere Rolle: 72 Prozent der Befragten sprechen mit Bekannten oder in der Familie gelegentlich über das Thema, nur ein Fünftel häufig.
38 Prozent sehen das demokratische System der Bundesrepublik in der erhitzten öffentlichen Debatte bedroht, 57 Prozent teilen diesen Eindruck nicht – unabhängig von Alter, Geschlecht und Bildungsgrad.
AfD spricht von „Schock-Umfrage“
Die Ergebnisse der Umfrage sind teilweise nach Parteizugehörigkeit aufgeschlüsselt, wodurch sich deutliche Kontraste vor allem zwischen den Anhängern der AfD und denen der anderen Parteien ergeben. So glauben nur knapp die Hälfte der AfD-Anhänger, Flüchtlingspolitik sei in den Medien überrepräsentiert. Auch ist das Thema für sie privat äußerst wichtig.
Die AfD reagierte auf Facebook auf die Erhebung. „Forsa Schock-Umfrage: 50 % der jungen Menschen trauen sich nicht mehr, ihre Meinung zu sagen“, heißt es in einem Post. Tatsächlich gab etwa die Hälfte der Befragten im Osten wie im Westen an, man könne hierzulande Meinungen zu bestimmten Themen nicht äußern, ohne als rechts oder rechtsradikal abgestempelt zu werden. Männer und Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen vertreten diese Ansicht häufiger als Frauen oder Personen mit höheren Abschlüssen.
Laut der AfD bezieht sich diese Aussage auf „Themen wie Zuwanderung oder Islam“. Es sei erfreulich, wenn manche Jugendliche immun gegen eine „Hypermoral“ und „Indoktrination“ in den Schulen seien, wie sie derzeit „in Deutschlands Bildungseinrichtungen“ vorherrsche, schreibt der Bundesverband der AfD.
Überwältigende Mehrheit stellt sich hinter Religionsfreiheit
Auf diese Deutung der Umfrageergebnisse reagierte die Friedrich-Naumann-Stiftung bei Twitter und warf der Partei vor, sie habe die Ergebnisse der Umfrage offenbar nicht vollständig gelesen. „Der AfD-Post zeigt: Wir leben im postfaktischen Zeitalter.“
Damit bezieht sich die Stiftung wohl auf Ergebnisse wie das folgende, das die AfD in ihrer Facebook-Nachricht nicht erwähnt: Fast 60 Prozent der Jugendlichen gaben an, dass Deutschland durchaus noch mehr Flüchtlinge aufnehmen könne. Eine breite Mehrheit der Befragten (96 Prozent) stellte sich zudem hinter die Religionsfreiheit und vertrat die Ansicht, dass ehrenamtliches Engagement Demokratie und Zusammenhalt stärkt.
Jeweils etwa 80 Prozent der Befragten gab an, neugierig auf fremde Kulturen und Religionen zu sein und sich nicht an Kopftüchern in der Öffentlichkeit zu stören. Allerdings stimmte auch etwa jeder vierte Befragte der Aussage „Mich stört es, dass immer mehr Moscheen in Deutschland gebaut werden“ zu.
Für die Umfrage im Auftrag der als FDP-nah geltenden Friedrich-Naumann-Stiftung befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa nach dem Zufallsverfahren 1006 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 16 bis 25 Jahren. Die Daten wurden zwischen dem 22. und 27. Februar online erhoben.
Unterschiede zwischen den Antworten von Befragten aus Ost- beziehungsweise Westdeutschland ließen sich nur in wenigen Fällen feststellen, etwa bei der Frage, ob es Unterschiede zwischen rechtspopulistischem und rechtsradikalem Gedankengut gebe. Das bejahte die Hälfte aller Jugendlichen, darunter ein wenig mehr Ostdeutsche als Westdeutsche.