Umfassende Reform : Bundestag beschließt neues Organspenderecht
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Künftig werden alle Krankenversicherten ab 16 Jahren schriftlich aufgefordert, eine Erklärung zur Organspende nach dem Tod abzugeben Bild: dpa
Der Bundestag hat eine umfassende Reform der Organspende in Deutschland beschlossen. Künftig werden alle Krankenversicherten ab 16 Jahren schriftlich aufgefordert, eine Erklärung zur Organspende abzugeben. Eine Pflicht zur Entscheidung gibt es aber nicht.
Alle Deutschen, die 16 Jahre oder älter sind, werden künftig von ihrer Krankenversicherung aufgefordert, sich für oder gegen eine Organspende zu entscheiden. Eine Pflicht zur Entscheidung gibt es aber nicht. Das ist der Kern des am Freitag vom Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossenen Neuregelung des Organspenderechts. Der Bundestag beschloss am Freitag ferner eine Reform des Transplantationsgesetzes mit dem Ziel, die Abläufe von der Organentnahme bis zur Transplantation zu verbessern. Dazu gehören auch neue Regelungen für jene Bürger, die zu Lebzeiten ein Organ spenden. Postmortal dürfen Organe nun nur entnommen werden, wenn der Hirntod des Spenders zweifelsfrei feststeht.
Abgeordnete aller Fraktionen riefen die Bevölkerung auf, sich stärker mit dem Thema zu beschäftigen. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wies darauf hin, dass lediglich jeder vierte Bundesbürger einen Organspendeausweis habe, bei Befragungen aber erheblich mehr Menschen ihre Bereitschaft bekundeten, im Todesfall Organe zu spenden. Zugleich warteten 12 000 Patienten dringend auf Spenderorgane. „Wenn mehr mitmachen, müssen weniger Menschen warten“, sagte Bahr.
Transplantationsgesetz : Der Bundestag regelt die Organspende neu
Der Vorsitzende der Unionsfraktion, Volker Kauder (CDU), sagte, in der „hochsensiblen Frage“ der Organspende dürfe es keinen Druck geben. Es gebe kein Recht auf eine Organspende. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Frank-Walter Steinmeier, sagte, mit der „Entscheidungslösung“ wolle man „den Menschen etwas mehr auf die Pelle rücken“. Der Druck sich für oder gegen die Spende zu entscheiden, soll auch die Last von Angehörigen nehmen, über eine Organentnahme befinden zu müssen. Steinmeier, der für seine Frau eine Niere gespendet und damit die öffentliche Debatte verstärkt hatte, sprach von einer „Entscheidung, die in das Leben gehört und die nicht über den Tod hinausgeschoben werden kann“.
Abgeordnete der Grünen und Linken machten Datenschutzbedenken geltend, etwa wegen einer später möglichen Speicherung der Spendebereitschaft auf der elektronischen Gesundheitskarte. Mehrere Abgeordnete dieser Fraktionen lehnten die Reform ab.
Mit der Gesetzesänderung wird aus der bisherigen „erweiterten Zustimmungsregelung“ eine „Entscheidungslösung“. Demnach müssen Krankenkassen und private Krankenversicherer ihre Kunden regelmäßig anschreiben, mit Informationsmaterial und einem Organspendeausweis versorgen. Später soll die Spendebereitschaft auch auf der elektronischen Gesundheitskarte registriert werden, die Test dafür beginnen jedoch frühestens 2014. Mit der Neuordnung des Transplantationsrechtes setzte der Bundestag zudem eine EU-Richtlinie um. Sie schreibt vor, dass an allen 1350 deutschen Krankenhäusern, die Spenderorgane entnehmen, qualifizierte Ärzte als Transplantationsbeauftragte bestellt werden. Sie sollen für Gespräche mit Patienten und Angehörigen besonders geschult sein. Auch sollen die Abläufe bei Transplantationen verbessert werden. Künftig gelten ferner die in der ganzen EU einheitlichen Qualitäts- und Sicherheitsstandards.
Um Lebendspender vor gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Organentnahme besser abzusichern, muss künftig die Krankenversicherung des Organempfängers alle Kosten für die Transplantation sowie weitere Folgekosten – bis hin zur Entgeltfortzahlung – übernehmen. Auch werden sie in der Unfallversicherung besser gestellt.
Die Reform stärkt einerseits die Rolle der Deutsche Stiftung Organspende (DSO), weitet aber auch die Kontrollmöglichkeiten der Spitzenorganisationen der Ärzte, Kassen und Krankenhäuser aus, die die Stiftung beauftragen. Unter anderem wegen Vorwürfen der Misswirtschaft war die DSO in die Kritik geraten, einer der beiden Vorstände hatte sein Amt aufgegeben. Eine zwischenzeitlich erwogene stärkere Anbindung der Organisation an Regierung und Parlament war im Gesundheitsausschuss verworfen worden. Allerdings haben Redner aller Fraktionen die Notwendigkeit einer besseren Kontrolle hervor. Johannes Singhammer (CSU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Union, sagte dieser Zeitung, nach der Sommerpause müsse man über Strukturen und Kontrolle der Stiftung neu beraten.