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Kaja Kallas in Berlin : Estnische Regierungschefin erwartet von Deutschland „starke Führung“

Erwartet von Berlin mehr Einsatz: Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas Bild: EPA

Bei ihrem Treffen mit Bundeskanzler Scholz und Verteidigungsministerin Lambrecht fordert Kaja Kallas von der Bundesregierung, sich schneller und stärker für die Verteidigung der Ukraine zu engagieren. Auch wenn Deutschland ein Tanker sei.

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          Die estnische Ministerpräsidentin Kaja Kallas erwartet von Deutschland schnelle und höhere Beiträge zur Verteidigung der Ukraine. „Es gibt große Länder, die mehr tun könnten“, sagte Kallas bei einem Besuch in Berlin, „die beste humanitäre Hilfe in diesen Tagen ist Militärhilfe für Kiew.“ Kallas traf am Montag mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) zusammen. Es sei deutlich billiger, jetzt die materiellen Lücken bei den ukrainischen Streitkräften zu schließen, als später die Konsequenzen einer Niederlage zu tragen. „Wir erwarten von Deutschland starke Führung“, so die Regierungschefin des baltischen Landes, das, gemessen an seiner Einwohnerzahl, etwa das siebenfache des deutschen Beitrags für die Ukraine aufgebracht hat.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

          Kallas ging auch auf die Sorge des Kanzlers Olaf Scholz vor einem Atomkrieg ein. „Russland ist sehr gut darin, die jeweiligen Ängste in verschiedenen Ländern zu adressieren.“ Im Baltikum versuche Moskau, die russischstämmigen Minderheiten zu instrumentalisieren, in Skandinavien würden Schweden und Finnland bedroht. In Deutschland sei eben die Atom-Angst besonders virulent, so Kallas. Es gebe in Europa viel Enttäuschung über den Kurs der Bundesregierung. Sie habe persönlich aber auch Verständnis für die Politik Berlins: „Deutschland hat eine Kehrtwende vollzogen. Ein kleines Schiff ändert seinen Kurs viel leichter als ein großer Tanker.“

          „Das Problem ist allerdings, dass die Ukraine keine Zeit hat“

          In Demokratien müsse eben auch diskutiert werde. „Das Problem ist allerdings“, so Kallas weiter, „dass die Ukraine keine Zeit hat.“ Es sei doch für Deutschland auch ein Kompliment, dass Europa von ihm Führung erhoffe. Konkret geht es für die baltischen Staaten neben der Militärhilfe für Kiew um eine massive Verstärkung der NATO-Ostflanke. Kallas plädierte in Berlin für einen Strategiewechsel. Statt der „Forward Presence“, also der Präsenz leichter Kräfte als eine Art „Stolperdraht“, solle es eine starke „Vorwärtsverteidigung“ geben, wie die NATO sie bereits früher konzipiert habe. Russland müsse im Fall eines Angriffs „sofort zurückgeschlagen werden“.

          Dazu brauche es NATO-Präsenz in Divisionsstärke und eine gemeinsame Strategie zur Luftverteidigung. Die baltischen Staaten wollten dazu beim NATO-Gipfel im Juni einen abgestimmten Vorschlag unterbreiten. Die estnische Ministerpräsidentin sagte, neben den aktuellen Hilfsmaßnahmen im Krieg gehe es um weitere Konsequenzen für Russland. Man müsse die „russische Kriegsmaschine“ stärker treffen und Moskau jede Hoffnung nehmen, es gebe, wie zuvor bei Tschetschenien, bei Georgien, bei der Krim wieder ein „business as usual“ nach einer Unterbrechung seiner Aggressionen. Zudem sei sie der Meinung, dass der Wiederaufbau der Ukraine aus russischen Reparationen geleistet werden müsse. „Russland muss wissen, dass es für seine Kriegsverbrechen, aber ebenso für jedes zerstörte Haus in der Ukraine bezahlen muss.“

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