Überwachungsmaßnahmen : BKA nutzt modifizierte Trojaner-Software
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Friedrich hält sich zur Zeit in Afghanistan auf Bild: dapd
Innenminister Friedrich forderte die Bundesländer auf, den Einsatz der Spionage-Software zu unterlassen. Eine überarbeitete Strafprozessordnung soll zudem eine Neureglung enthalten.
Innenminister Friedrich (CSU) hat die Bundesländer aufgefordert, den Einsatz von Ermittlungssoftware zu unterbinden, die geeignet ist, rechtswidrige Durchsuchungen von Computern Tatverdächtiger zu ermöglichen. Nachdem Innenministerien mehrerer Länder zugegeben haben, ein vom Chaos-Computer-Club (CCC) dekodiertes Spionage-Programm bei ihren Sicherheitsbehörden zu verwenden, forderte Friedrich, der sich zur Zeit in Afghanistan aufhält, eine Überarbeitung der Strafprozessordnung, um den Einsatz sogenannter Trojaner-Programme neu zu regeln. Die SPD verlangte eine Aktuelle Stunde im Bundestag zu den Vorfällen, die Grünen forderten Aufklärung im Innenausschuss und im Parlamentarischen Kontrollgremium. Der Abgeordnete Ströbele (Grüne) verlangte, auch Bundesnachrichtendienst und Zoll müssten sich erklären. Die Bundesregierung müsse "diejenigen Personen zur Verantwortung ziehen, die an Beschaffung und Einsatz solcher rechtswidrig gestalteten Software beteiligt waren".
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte, sie empfehle, keine neuen Überwachungs- und Ermittlungsmaßnahmen in den Bereichen Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung zu ergreifen, bis eine klare Sachverhaltsklärung gegeben sei. Damit wäre, neben der bereits seit 2010 ausgesetzten Vorratsdatenspeicherung, ein weiteres zentrales Ermittlungsinstrument im virtuellen Raum lahmgelegt.
Rechtswidrige Nutzung
Das Innenministerium wies deshalb darauf hin, dass innerhalb der rechtlichen und vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Grenzen der Einsatz von Trojaner-Software unerlässlich sei, um beispielsweise im Bereich Organisierter Kriminalität und der Terrorismusbekämpfung ermitteln zu können. Insbesondere die "Quellen-TKÜ", die Überwachung von Telefonaten und Mailverkehr, die über Computer abgewickelt werden, sei ohne den Einsatz solcher Software nicht möglich. Den Angaben zufolge haben neben Bayern auch Baden-Württemberg, Niedersachsen, Brandenburg und Schleswig-Holstein in jeweils einzelnen Fällen eine Software eingesetzt, die weit tiefere Eingriffe erlaubt als die bloße Telefon- oder MailÜberwachung. Weitere Länder prüfen noch, ob sie das Programm ebenfalls in Verwendung haben. Die Prüfung dürfte allerdings leichtfallen, da nach bisherigen Auskünften alle genannten Länder Kunden einer Spezialfirma für Informationstechnik sind.
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Nach CCC-Angaben ist es mit den verwendeten Programmen möglich, Tastatureingaben zu verfolgen, nicht versendete Nachrichten und jedwede auf dem Computer niedergelegte Aufzeichnungen zu kontrollieren, möglicherweise sogar zu manipulieren. Darüber hinaus können Abbilder aufgerufener Internetseiten, sogenannte Screenshots, aufgezeichnet werden. In Bayern hat das Landgericht Landshut in einem konkreten Fall deren Nutzung bereits als rechtswidrig beurteilt.
Fragwürdige Ermittlungsoptionen
Programmiert wurde die umstrittene Software bei der Firma DigiTask in Haiger. Das Innenministerium bestätigte, dass ebenfalls das Bundeskriminalamt (BKA) das entsprechende Programm für sich geprüft, es aber in der ursprüngliche Fassung nicht akzeptiert habe. Der Grund seien darin enthaltene zusätzlichen, rechtlich fragwürdige Ermittlungsoptionen gewesen. Diese Haltung wurde auch deshalb eingenommen, weil die Bundesanwaltschaft bei ihren Ermittlungsverfahren solche Optionen nicht nutzt. Die Firma DigiTask habe daraufhin für die Sicherheitsbehörden im Bereich des Innenministeriums eine deutlich vereinfachte und zugleich besser abgesicherte Software erarbeitet, die den Angaben zufolge auch vom BKA genutzt wird. Vor jedem Einsatz der jeweils individuell zu konfigurierenden Software der Firma werde geprüft und dokumentiert, dass dieser Standard eingehalten werde. Warum andere Innenbehörden nicht auf diese, sozusagen BKA-zertifizierte Version zurückgriffen, ist ungeklärt.
Friedrich sagte dem Deutschlandfunk, er hoffe, dass die Bundesjustizministerin in dieser Sache einen Vorschlag zur Präzisierung in der Strafprozessordnung erarbeiten werde. Der CSU-Abgeordnete Uhl warf der Ministerin vor, das bislang versäumt zu haben. Frau Leutheusser-Schnarrenberger wiederum forderte das Innenministerium auf, Vorschläge zu machen.