„Übergesetzlicher Notstand“ : Bundeswehr versichert sich „befehlstreuer“ Piloten
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Unzufrieden mit gesetzlicher Regelung: Franz Josef Jung Bild: ASSOCIATED PRESS
Während Bundeswehrverbandschef Bernhard Gertz im Streit um einen möglichen Abschuss gekaperter Zivilmaschinen den betroffenen Piloten zur Befehlsverweigerung rät, hat das Verteidigungsministerium sich offenbar bereits befehlsbereiter Soldaten versichert.
Im Streit um einen möglichen Abschuss gekaperter Zivilmaschinen rät Bundeswehrverbandschef Bernhard Gertz den betroffenen Piloten zur Befehlsverweigerung. Solche Befehle auf Grundlage eines „übergesetzlichen Notstands“ seien nach der Karlsruher Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz definitiv nicht von der Verfassung gedeckt, sagte Gertz.
Piloten, die dennoch auf einen Befehl hin Flugzeuge abschössen, müssten sich dann wegen Totschlags vor Gericht verantworten. Auch nach dem Soldatengesetz dürften Piloten nicht Befehle befolgen, die offensichtlich gegen Recht und Gesetz verstießen. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) hatte gesagt, er werde im äußersten Notfall unter Bezug auf einen „übergesetzlichen Notstand“ den Abschuss eines entführten Zivilflugzeugs befehlen.
Befehlsverweigerung „nicht vorstellbar“
Die „Leipziger Volkszeitung“ berichtete, das Verteidigungsministerium habe durch die Auswahl von Piloten bereits jetzt dafür gesorgt, dass der Befehl für einen Abschuss nicht verweigert werde. Ein deutscher Offizier aus einer der für Deutschland zuständigen NATO-Luftverteidigungseinsatzzentralen, sagte der Zeitung, als Piloten für die im norddeutschen Wittmund und im süddeutschen Neuburg stationierten Alarmrotten zur Luftraumüberwachung kämen nur solche Offiziere zum Einsatz, die im Fall eines „übergesetzlichen Notstandes“ zur hundertprozentigen Befehlsausübung bereit seien. Eine Befehlsverweigerung sei auf Grund der Vorabsprachen deshalb „nicht vorstellbar“.
Die Zeitung berichtete außerdem, Jung habe in Gesprächen mit der Luftfahrtgeneralität deutlich gemacht, dass er nach dem Abschuss eines Zivilflugzeugs zurücktreten werde, sollte bis zu diesem Zeitpunkt noch keine gesetzliche Regelung für solche Situationen geben.
Merkel stellt sich vor Jung
Der SPD-Vorsitzende Kurt Beck mahnte Jung, seine Position zu einem möglichen Abschuss gekaperter Zivilmaschinen zu revidieren. Beck sagte am Montagabend in Berlin unter Verweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts: „Wir haben eine klare Rechtslage.“ Die SPD sei bereit, für die Sicherheit „das Notwendige zu tun“. Dabei müssten aber die „Spielregeln“ der Freiheit und der Verfassung eingehalten werden.
Die „Passauer Neue Presse“ berichtete, CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel habe bei der Vorstandssitzung ihrer Partei am Montag die Kritik von SPD und Opposition an Jung zurückgewiesen.