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Ditib von Türkei beauftragt : Spionage und weitere Pannen

  • -Aktualisiert am

Ditib-Moschee in Köln: Einige Imame der Religionsorganisation stehen unter Spionageverdacht. Bild: dpa

Erst gibt die Ditib zu, dass einige Imame Anhänger von Fetullah Gülen ausspähten, dann folgt aber kurz darauf das Dementi. Dabei ist der Fall eigentlich relativ klar.

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          Die „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib) schien noch einmal glimpflich davongekommen zu sein. Am Mittwoch war Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga in Düsseldorf mit Mitarbeitern der rot-grünen Landesregierung zusammengekommen. Anlass waren Berichte mehrerer Medien vom Dezember, wonach einige Imame der Ditib auf Weisung aus Ankara Anhänger des Predigers Fethulla Gülen bespitzelt und hernach Dossiers an die türkische Regierung gesandt hatten.

          Reiner Burger
          Politischer Korrespondent in Nordrhein-Westfalen.

          Die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putschversuch im vergangenen Sommer verantwortlich und geht rigoros gegen Anhänger des Predigers vor. Nach der Runde sagte eine Sprecherin des nordrhein-westfälischen Integrationsministeriums, die nordrhein-westfälische Regierung habe ihre Sorgen und Erwartungen artikuliert. Doch sehe man den Verband, der in Deutschland beinahe 900 Moscheen unter seinem Dach vereint und direkt der staatlichen Religionsbehörde in Ankara untersteht, weiterhin als Partner. Die Ditib solle dazu beitragen, dass innertürkische Konflikte nicht unrechtmäßig in Nordrhein-Westfalen ausgetragen werden. Bei dieser Ermahnung beließ sie es.

          FDP will Imame ausweisen

          Generalsekretär Alboga konnte zufrieden sein. Nach dem Gespräch in Düsseldorf bestätigte er der Zeitung „Rheinische Post“ scheinbar beiläufig, dass manche Imame Informationen nach Ankara weitergeleitet hätten. Es war das erste Mal, dass die Ditib den Vorgang zugab. Zugleich versicherte Alboga: „Die schriftliche Anweisung des türkischen Religionspräsidiums Diyanet war aber nicht an die Ditib gerichtet. Trotzdem folgten dem einige wenige Ditib-Imame fälschlicherweise. Wir bedauern die Panne zutiefst und haben diesbezüglich auch mit Diyanet gesprochen.“ Am Donnerstag präzisierte Alboga dann auf Anfrage der Deutschen Presseagentur, „zirka drei Imame“ seien der Diyanet-Anweisung gefolgt. An wen sie sich ursprünglich gerichtet habe, wisse er nicht. Auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes wiederum sprach Alboga von „etwa drei bis fünf Imamen“ und warnte vor einem Generalverdacht gegen die tausend vom türkischen Staat bezahlten Imame der Ditib, die in Deutschland aktiv sind. Man berate Maßnahmen, um zu verhindern, dass es noch einmal zu einer Ausspitzelung komme, versprach der Ditib-Generalsekretär laut epd.

          Derweil meldeten sich immer mehr empörte Ditib-Kritiker zu Wort. Die FDP forderte die Ausweisung der „Ditib-Spione“. Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, erinnerte daran, dass er in der Sache im Dezember beim Generalbundesanwalt Strafanzeige wegen des Verdachts der Spionage zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland gestellt habe, was ein Sprecher der Behörde bestätigte. Sie werde „ordnungsgemäß geprüft“. Beck sah derweil den Spionageverdacht durch Albogas Äußerungen nunmehr bestätigt und forderte die Ditib auf, die Namen der Spione zu nennen. Für wenig glaubwürdig halte er „angesichts der Abhängigkeit der Ditib von der Diyanet in Ankara und der Rolle der türkischen Botschaft und der Generalkonsulate bei der Steuerung des Verbands“ den „Erklärungsversuch Panne“, sagte Beck.

          Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, äußerte, wer mit der Ditib zusammenarbeite – wie es viele Landesregierungen nicht nur beim islamischen Religionsunterricht tun –, der lege die Zukunft der deutschen Muslime in die Hände des türkischen Präsidenten Erdogan. Er warnte vor türkisch-nationalistischen „Gegengesellschaften“, die aggressiv gegen westliche Werte vorgingen. Das Klima in der türkischen Gemeinde in Deutschland sei vergiftet. Erdogan-Anhänger denunzierten Nachbarn und Kritiker des türkischen Präsidenten.

          Am Donnerstagabend meldete sich Ditib-Generalsekretär Alboga abermals zu Wort – um sich selbst zu widerrufen. Er habe Bespitzelungsvorwürfe nicht bestätigt, hieß es nun in einer schriftlichen Mitteilung auf der Internetseite der Ditib. „Meine Aussagen als Generalsekretär beabsichtigten lediglich, dass die Vorwürfe ernst genommen und von Ditib weiterhin untersucht werden.“

          Unbestritten ist der Bespitzelungsauftrag

          Allzu viel aufzuklären scheint es gar nicht mehr zu geben. Unbestritten ist, dass es ein auf den 20. September datiertes Schreiben der Diyanet gibt, das per E-Mail an alle türkischen Botschaften, Konsulate, Religionsämter oder Religionsattachés ging. Darin wurden sie aufgefordert, bis zum 27. September Informationen über Mitglieder der Gülen-Bewegung nach Ankara zu liefern. Dann geschah das, was Alboga nun als „Panne“ verstanden wissen will: Einige der Empfänger leiteten das Schreiben an Ditib-Imane weiter. Besonders eifrig beteiligte sich mehr als ein Dutzend Imame aus dem Bereich der Generalkonsulate Düsseldorf und Köln. Sie beließen es nicht bei allgemeinen Lageschilderungen, sondern übermittelten Namenslisten und Denunzierungen.

          Der Iman Hamza Turan in der Fatih Camii Moschee in Dresden: Wohl mindestens drei bis fünf seiner Kollegen nahmen den Auftragt der Diyanet sehr ernst und bespitzelten vermeintliche Gülen-Anhänger.
          Der Iman Hamza Turan in der Fatih Camii Moschee in Dresden: Wohl mindestens drei bis fünf seiner Kollegen nahmen den Auftragt der Diyanet sehr ernst und bespitzelten vermeintliche Gülen-Anhänger. : Bild: dpa

          Die Spitzelaffäre erschüttert die Glaubwürdigkeit der Ditib. Sie dürfte auch Auswirkungen auf die Frage haben, ob die Ditib wie von ihr angestrebt, als Religionsgemeinschaft anerkannt wird. Die nordrhein-westfälische Landesregierung will erst entscheiden, wenn ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten vorliegt. Darin soll geklärt werden, ob es sich bei der Ditib überhaupt um eine religiöse Bekenntnisorganisationen handelt und wie groß die Einflussnahme aus Ankara auf sie ist.

          Das Misstrauen gegen die Ditib wächst in der Landesregierung schon seit einiger Zeit. Kurz nach dem gescheiterten Putschversuch hatte die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gesagt, es verstärkten sich „die Zweifel, ob die Ditib den Kriterien zur Einstufung als Religionsgemeinschaft entspreche“. Zudem beendete das Innenministerium wegen eines Diyanet-Comics, in dem der „Märtyrertod verherrlicht“ werde, seine Zusammenarbeit mit der Ditib bei einem Salafismus-Präventionsprojekt in Köln. Wenig später kündigte das Justizministerium an, dass alle Ditib-Imame, die in den Gefängnissen des Landes als Seelsorger tätig sind, vom Verfassungsschutz überprüft werden.

          Hamburg und die Weihnachtsmann-Affäre

          In Hamburg gibt es eine Diskussion über die Zukunft des Staatsvertrages der Stadt mit den großen Islamverbänden Ditib, Schura und dem Verband der islamischen Kulturzentren. Der Vertrag war 2012 geschlossen worden. Das galt damals als Pioniertat, war aber von Anfang an umstritten. Hamburg war das erste Bundesland mit solch einem Vertrag, wie sie ähnlich auch mit den christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinde existieren. Angeregt wurden die Vertragsverhandlungen seinerzeit noch vom CDU-Bürgermeister Ole von Beust. Entzündet hatte sich die aktuelle Debatte an einer Zeichnung im Internet, die einen mutmaßlich muslimischen Mann zeigt, der einen Weihnachtsmann verprügelt. Verbreitet hatte das Bild die Ditib-Jugendgruppe. Ditib selbst distanzierte sich zwar davon. Dennoch sagte der Hamburger CDU-Innenpolitiker Dennis Gladiator: „Das Maß ist voll. Wer gegen unsere christlichen Werte hetzt und sich gegen unsere Gesellschaft stellt, kann nicht Vertragspartner sein.“

          Karin Prien, die bildungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, forderte, „die Zusammenarbeit der Schulbehörde mit der Schura und der Ditib auf allen Ebenen“ in den Schulen sofort auszusetzen. Die FDP hat das Thema für kommende Woche in die Bürgerschaft eingebracht. Norbert Müller, Vorstandsmitglied der Schura Hamburg, verteidigte den Vertrag. Er habe „das gesellschaftliche Klima und den interreligiösen Dialog in der Stadt verbessert“. (F.P.)

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