Triage im Krankenhaus : Lauterbach distanziert sich von eigenem Gesetzentwurf
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Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am 3. Mai 2022 in Meseberg Bild: Andreas Pein
Im bisherigen Entwurf zum Umgang mit Engpässen in Krankenhäusern sollte unter strengen Voraussetzungen auch die Ex-post-Triage geregelt werden – also dass Ärzte bereits eingeleitete Behandlungen zugunsten von Patienten mit größeren Überlebenschancen abbrechen können. Nun rudert Lauterbach zurück.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant kein Gesetz, auf dessen Grundlage Ärzte im Falle mangelnder Intensivkapazitäten schon eingeleitete Behandlungen zugunsten von Patienten abbrechen können, deren Überlebenschancen größer sind. „Anders als in manchen Medien berichtet, soll die Ex-post-Triage nicht ermöglicht werden“, stellte ein Sprecher des Ministers am Montag klar. Das Vorgehen ist ethisch und rechtlich hoch umstritten.
Auch Lauterbach lehnt diesen Weg ab, wie er am Montag sagte: „Ex-post-Triage ist ethisch nicht vertretbar und weder Ärzten, Patienten noch Angehörigen zuzumuten. Deshalb werden wir es auch nicht erlauben.“ Selbst die Priorisierung vor Beginn der Betreuung, die „Ex-ante-Triage“, solle nur unter hohen Auflagen möglich sein. Man müsse „den Graubereich von medizinischen Entscheidungen in der Pandemie ausleuchten“, um den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts nachzukommen.
Behinderte Menschen sollen geschützt werden
Die Richter hatten im Dezember eindeutige Triage-Regeln gefordert, um behinderte Menschen zu schützen. „Einen entsprechenden Gesetzentwurf legen wir in Kürze vor“, kündigte Lauterbach daraufhin an. Die Triage sei in der Corona-Zeit zwar eine „reelle Gefahr, aber nie Alltag“ gewesen. Die Schutzanstrengungen und die Patientenverlegung haben eine gute Krankenversorgung garantiert: „Das soll auch in Zukunft so bleiben.“
In einem Gesetzentwurf des Gesundheitsministeriums vom Donnerstag klang das anders. Er soll die Triage regeln und liegt der F.A.Z. vor. Die zu treffende „Zuteilungsentscheidung“ bezieht sich darin auch auf „bereits zugeteilte Behandlungskapazitäten“. In der Begründung heißt es explizit, „dass auch eine Ex-post-Triage ohne strafrechtliche Sanktionen möglich ist“.
Dem Vernehmen nach ist die Ex-post-Triage erst auf Drängen von Justizminister Marco Buschmann (FDP) in den Entwurf aufgenommen worden. Da Lauterbach sie ablehnt, habe er in dem Entwurf besonders hohe, „nicht zu verwirklichende“ Auflagen verankert – etwa die Voraussetzung, dass die Entscheidung von drei statt zwei besonders qualifizierten Ärzten getroffen werden muss. Da sich der Gesundheitsminister aber auch damit den Unmut von Behinderten- sowie Wohlfahrtsverbänden und auch der Grünen einhandelte, soll die Ex-post-Möglichkeit jetzt ganz aus dem Gesetz fallen. Die Caritas kritisierte am Montag: „Die praktischen, ethischen und gesellschaftlichen Folgen einer Zulässigkeit von Ex-post-Triage sind fatal.“
Eigentlich sollte ein tragbarer Entwurf längst vorliegen, das Vorhaben war aber auch wegen der Unstimmigkeiten zwischen den Ressorts verschoben worden. Dabei spielt offenbar die Wahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag eine Rolle, vor der weder FDP noch SPD unpopuläre Entscheidungen treffen wollen. Deshalb sei auch die von Lauterbach mehrfach angekündigte Novelle zur Krankenkassenfinanzierung bisher noch nicht fertig, heißt es in Berlin.