„Tiergarten-Mord“ : Generalbundesanwalt verdächtigt russischen Staat
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Angehörige und Unterstützter demonstrierten mit Porträts des in Berlin ermordeten Selimchan Changoschwili am 10. September 2019 vor der deutschen Botschaft in Tiflis. Bild: EPA
Ende August wurde der Georgier Changoschwili am helllichten Tage in Berlin erschossen. Schnell fiel der Verdacht auf Moskau. Nun will der Generalbundesanwalt ermitteln – und könnte eine diplomatische Krise auslösen.
Der Generalbundesanwalt verdächtigt staatliche russische Stellen, hinter dem sogenannten Tiergarten-Mord an dem georgischen Staatsbürger Selimchan Changoschwili zu stehen. Wie diese Zeitung aus Ermittlerkreisen erfuhr, könnte die Behörde das Verfahren schon an diesem Mittwoch wegen des Anfangsverdachts des Staatsterrorismus an sich ziehen.
Changoschwili kämpfte im zweiten Tschetschenienkrieg gegen Russland; in Georgien überlebte er mehrere Mordanschläge. 2017 beantragte er in Deutschland Asyl. Als der 40 Jahre alte Tschetschene mit georgischem Pass Ende August auf dem Weg zum Freitagsgebet in einer Berliner Moschee war, näherte sich ihm im Kleinen Tiergarten im Stadtteil Moabit ein Mann auf einem Fahrrad und schoss ihm in den Kopf. Wenig später wurde der mutmaßliche Täter festgenommen.
Dem Pass nach handelte es sich um Wadim Sokolow, einen russischen Staatsbürger. Offenbar war ihm aber eine falsche Identität in einem echten Pass verliehen worden. Amerikanische Regierungsmitarbeiter äußerten deshalb schon im September, dass Moskau hinter dem Mord stecke. Eine falsche Identität mit einem echten Reisepass könnten nur russische Behörden selbst ausgestellt haben.
Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich bei dem Verdächtigen tatsächlich um den russischen Staatsbürger Wadim Krasikow. Zuerst hatte die Zeitschrift „Der Spiegel“ zusammen mit Recherchepartnern darüber berichtet. Wie deutsche Ermittler nun bestätigten, hatten russische Stellen ursprünglich wegen eines 2013 in Moskau verübten Mordes gegen Krasikow ermittelt, das Verfahren aber 2015 überraschend eingestellt. Kurz darauf wurde Krasikow erstmals ein Ausweis auf den Namen Sokolow ausgestellt. Die Ermittler sprechen deshalb von „starken Indizien“, die darauf hindeuten, dass staatliche russische Stellen in den Tiergarten-Mord verwickelt sein könnten.