Thüringen : Déjà-vu in Erfurt
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Im Plenarsaal des Thüringer Landtags werden in Vorbereitung auf die Wahl die Plätze der Linken-Fraktion geputzt. Bild: dpa
Im Thüringer Landtag wird an diesem Mittwoch abermals ein Ministerpräsident gewählt. Und nicht einmal das Coronavirus konnte die Wahl stoppen.
Was auch immer passiert an diesem Mittwoch im Thüringer Landtag, es dürfte noch einmal ein historischer Tag werden. Binnen vier Wochen kommen die 90 Abgeordneten abermals zusammen, um einen Ministerpräsidenten zu wählen. Linke, SPD und Grüne nominierten wieder den Linken-Politiker Bodo Ramelow, der das Amt bis zum 5. Februar innehatte, dann zwei Mal die absolute Mehrheit verfehlte und schließlich mit 44 zu 45 Stimmen knapp gegen Thomas Kemmerich verlor, den die FDP im dritten Wahlgang aufgestellt und mit Hilfe der Abgeordneten von AfD und CDU gewählt hatte.
Kemmerich war drei Tage später unter großem innerparteilichen wie öffentlichen Druck zurückgetreten, um das Amt „vom Makel der AfD-Stimmen“ zu befreien und regiert seitdem geschäftsführend mit den Staatssekretären der rot-rot-grünen Vorgängerregierung. Ein Kabinett hatte er nicht ernannt, Thüringen ist seitdem ohne reguläre Regierung. Um diesen Zustand, noch dazu in Zeiten globaler Krisen, zu beenden, steht nun abermals die Wahl eines Regierungschefs auf der Tagesordnung, wenn auch nur für eine Übergangszeit. Dass die Wahl am Dienstag noch wegen des Verdachts einer Corona-Infizierung bei einem CDU-Abgeordneten unter Vorbehalt stand, wunderte angesichts der politischen Ereignisse in Thüringen kaum noch jemanden. Immerhin, am Abend kam die Nachricht, dass sich der Verdacht nicht bestätigt hat und die Wahl deshalb wie geplant stattfinden kann.
Ramelow ohne eigene Mehrheit
Auch diesmal geht Ramelow ohne eigene Mehrheit ins Rennen. Seine Minderheitskoalition verfügt über 42 Abgeordnete, ihr fehlen damit vier Stimmen, um ihren Kandidaten im ersten Wahlgang zu wählen. „Wir gehen davon aus, dass Bodo Ramelow im ersten Wahlgang gewählt wird“, wiederholte die Vorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, in den vergangenen Tagen immer wieder. „Alternativ werden wir sofort einen Antrag auf Auflösung des Parlaments stellen.“
Bereits zuvor hatte Ramelow dieser Zeitung gesagt, dem Wahltag „völlig zuversichtlich“ entgegenzusehen. „Ich bin nach vielen Gesprächen in den letzten Tagen emotional zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mit einer ausreichenden Mehrheit aus dem demokratischen Spektrum im ersten Wahlgang rechnen kann.“ Dagegen sei es mit dem Blick von heute ein Fehler gewesen, vor vier Wochen ohne Absicherung in die Wahl zu gehen, sagte Ramelow. Allerdings sei für ihn damals alles geklärt gewesen.
Seine Zuversicht heute bezieht Ramelow sowohl auf persönliche Gespräche mit Unions-Abgeordneten als auch auf solche seiner Partei, der SPD und der Grünen mit der CDU, in denen sich diese auf eine Übergangsregierung unter seiner Führung sowie auf Neuwahlen im April kommenden Jahres geeinigt hatten. Linke, SPD und Grüne wollten sofortige Neuwahlen, während die CDU diese angesichts verheerender Umfragewerte so weit wie möglich hinauszögern wollte.
Bereits am 5. Februar hatte Ramelow zwei Stimmen mutmaßlich von Abgeordneten aus CDU oder FDP bekommen. Beide Fraktionen haben jedoch angekündigt, Ramelow nicht wählen zu wollen. Die fünf Abgeordneten der FDP-Fraktion, die nicht unschuldig an der Erfurter Regierungskrise ist, wollen während der Wahl sogar aus dem Plenarsaal gehen, um nicht in den Verdacht zu geraten, für Ramelow gestimmt zu haben. Die CDU wiederum will sich offiziell an ihren Parteitagsbeschluss halten, wonach sie nicht mit AfD und Linken zusammenarbeiten und deren Kandidaten auch nicht ins Amt verhelfen darf.
Verheerendes Bild
Allerdings verwiesen Unions-Abgeordnete zuletzt immer wieder darauf, dass die Wahl geheim und sie in ihrem Mandat frei seien. Mutmaßlich ist ihre Furcht, das Mandat bei sofortigen Neuwahlen zu verlieren, größer als die Abneigung, Ramelow für eine begrenzte Zeit wieder in die Staatskanzlei zu verhelfen. Hinzu kommt das verheerende Bild, das die Thüringer Politik in den vergangenen vier Wochen abgegeben hat, und das auch die CDU beenden will. Ihr neuer Fraktionsvorsitzender Mario Voigt, der am Montag außerplanmäßig und mit großer Mehrheit der 21 Abgeordneten gewählt wurde, sagte: „Heute ist der erste Tag von besseren Zeiten und der letzte Tag von Selbstbeschäftigung.“ Er wolle neues Vertrauen gegenüber den Bürgern aber auch untereinander aufbauen. „Politik ist ein Mannschaftspiel.“