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Tebartz-van Elst : Limburger Enten

Objekt zahlreicher Spekulationen: der Limburger Bischof Tebartz-van Elst Bild: dpa

Stiftungen, die keine sind, Geheimregistraturen, die es gar nicht gibt: In der Berichterstattung über den Neubau auf dem Limburger Domberg wimmelt es von Unrichtigem, Ungereimtem – und frei Erfundenem.

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          Mehr als eineinhalb Jahre sind vergangen, seitdem in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel über die wundersame Priesterkandidatenvermehrung im Bistum Limburg erschien. In der Tat war die Zahl der Seminaristen seit dem Amtsantritt des vormaligen Münsteraner Weihbischofs Franz-Peter Tebartz-van Elst gestiegen. Im Rom des Papstes Benedikt XVI. hörte man diese Botschaft aus der siechen Kirche in Deutschland im allgemeinen und aus dem Bistum Limburg im besonderen gerne. Denn Tebartz, der im Januar 2008 den Bischofsstab von seinem Vorgänger Franz Kamphaus übernommen hatte, war um seine Aufgabe nicht zu beneiden gewesen: Angeblich hatte er eine personell wie geistlich ausgezehrte Diözese übernommen, in der das Kreuz des wahren Glaubens wiederaufgerichtet werden wollte.

          Daniel Deckers
          in der politischen Redaktion verantwortlich für „Die Gegenwart“.

          Doch was ist Wahrheit, was ist Glaube? Die Zahl der Priesterkandidaten war vor allem deshalb gestiegen, weil einige mitteleuropäische Bistümer Vereinbarungen mit Bischof Kamphaus mit Leben erfüllt und junge Männer zum Studium nach Frankfurt entsandt hatten. So weit, so klar.

          Finanzgebaren seit Juni 2008 im Fokus

          Im Juni vergangenen Jahres erschien in der F.A.Z. ein weiterer Artikel über Tebartz-van Elst. Diesmal handelte er von Ungereimtheiten rund um den Limburger Domberg. Die Rede war von dem aus gestandenen Männern bestehenden Domkapitel, das von Bischof Tebartz-van Elst wie Schuljungen herumkommandiert wurde; es ging um den omnipräsenten Fahrer des Bischofs, der selbst einen Fahrer brauchte, weil die Polizei ihn während einer Dienstfahrt mit mehr als 1,3 Promille Alkohol im Blut aus dem Verkehr gezogen hatte.

          Und es ging um das Finanzgebaren des Bischofs und seines Verwaltungschefs („Generalvikar“) Franz Kaspar. Nach mehr als drei Jahren Bauzeit stand das „Diözesane Zentrum Sankt Nikolaus“ vor der Vollendung, jenes Bischofshaus samt Nebengebäuden, für das im Jahr 2008 2,5 Millionen Euro im Bistumshaushalt zurückgestellt worden waren. Zwei Jahre später hatte es geheißen, die Summe werde nicht ausreichen. Angeblich wollte der sogenannte Bischöfliche Stuhl, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, drei Millionen Euro dazugeben. Ein flüchtiger Blick in Baupläne sagte jedem, dass dieser Betrag niemals ausreichen werde. So weit, so gut.

          Er wusste es längst besser

          Wieviel Geld wirklich am Ende ausgegeben worden war und aus welchen Quellen es stammte, hatten Bischof und Generalvikar als Staatsgeheimnis behandelt. Bis zum 29. Juni. Anlässlich der Eröffnung musste der Diözesanbaumeister Tilman Staudt erklären, das Bauwerk habe alles in allem 9,85 Millionen Euro gekostet. Er wusste es längst besser, ebenso der Bischof und der Generalvikar und die drei anderen Mitglieder des Vermögensverwaltungsrats des Bischöflichen Stuhles. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung im Oktober berichten sollte, hatte das Gremium im Juli 2012 eine „Zwischenfinanzierung“ in Höhe von 15,7 Millionen Euro in die Wege geleitet. Anfang Juli hatte der Diözesanbaumeister immerhin öffentlich darlegen müssen, das schmucke Ensemble sei „wesentlich teurer“ geworden. So gut, so schlecht.

          Nachrichten, die nicht stimmen

          Am diesem Mittwoch nun sollte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Zollitsch, aus den Händen einer Prüfungskommission einen Bericht über das Finanzgebaren auf dem Limburger Domberg in Empfang nehmen. So stand es zu Beginn dieser Woche in der Zeitschrift „Der Spiegel“ zu lesen. Die Botschaft verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Allein, sie stimmte nie. Zollitsch, der scheidende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, befindet sich in einem seit langem geplanten Kuraufenthalt. Der Sprecher der Bischofskonferenz vermochte nicht einmal zu erklären, warum dieses frei erfundene Datum überhaupt in die Welt gesetzt wurde. Er sagt, Zollitsch werde den Bericht frühestens am Freitag der kommenden Woche erhalten und in den Karnevalstagen persönlich nach Rom überbringen. So weit, so richtig.

          Ein anderes, angeblich auf Fakten spezialisiertes Nachrichtenmagazin wusste dagegen schon Ende Januar, der Abschlussbericht der Kommission werde den Limburger Bischof entlasten. Das hatte zuvor der Präfekt des Päpstlichen Hauses und Sekretär von Papst Benedikt XVI., Erzbischof Georg Gänswein, wissen lassen. Der wiederum lässt sich in seiner Treue zu Tebartz-van Elst von kaum jemandem übertreffen.

          Freilich wussten Gänswein und der „Focus“ schon damals mehr, als die fünf Mitglieder der Prüfungskommission bis heute wissen. Sie haben sich peinlich genau an den Untersuchungsauftrag gehalten, den der von Papst Franziskus nach Limburg entsandte Kardinal Giovanni Lajolo Anfang September formuliert hatte. Inwieweit dieses oder jenes Faktum den Bischof und seinen Generalvikar be- oder entlastet, steht nicht im Ermessen der Kommission. Auch gut.

          Ein Bistum auflösen, weil der Bischof nicht passte?

          Entlastung hin oder her, der „Focus“ wusste immerhin nichts davon, dass Tebartz-van Elst als Bischof nach Limburg zurückkehren werde. Vielmehr machten im Vatikan Überlegungen die Runde, das Bistum Limburg kurzerhand aufzulösen. Auch bei dieser Nachricht musste der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz passen, zumal sie den meisten Bischöfen und Kirchenrechtlern in Deutschland äußerst verwegen vorkam. Ein Bistum auflösen, weil es einem Bischof aus welchen Gründen auch immer nicht gut ergangen war? Dann hätte Papst Benedikt XVI. Bistümer fast im Dutzend auflösen müssen. Das hatte er aber nicht getan, sondern mit mehreren Bischöfen kurzen Prozess gemacht, sei es wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten, sei es wegen eines allzu körperbetonten Lebenswandels, sei es wegen beidem. So geht es auch.

          Und auch, dass man Tebartz-van Elst gerichtsfest einen Lügner nennen darf: Der Vorsitzende der Kommission der Deutschen Bischofskonferenz für Ehe und Familie hatte im Herbst gegenüber dem Hamburger Landgericht eingestanden, über seinen Erste-Klasse-Flug nach Indien zwei falsche Erklärungen an Eides statt abgegeben zu haben. Allerdings stört diese Tatsache einige Katholiken diesseits und jenseits der Alpen weniger als die Mutmaßung, der Limburger Bischof sei im Grunde das Opfer einer Medienkampagne.

          Die Sprache wiedergefunden

          Dieser Gedanke liegt nicht fern. Denn wie will man unterscheiden, welche der vielen vermeintlichen Tatsachen, die Sonntag für Sonntag verbreitet werden, zutrifft und welche nicht? Etwa die an DDR-Verhältnisse erinnernde „Spiegel“-Saga von einer Geheimregistratur in eigens angemieteten Räumen in einer Art konspirativer Wohnung in Limburg. Richtig ist, dass Bischof und Generalvikar eine Handvoll Mitarbeiter mit dem Bauvorhaben betrauten und zu absolutem Stillschweigen vergatterten, selbst gegenüber ihren Dienstvorgesetzten.

          Diese Mitarbeiter fanden seit dem vergangenen Sommer nach und nach ihre Sprache wieder. Längst bevor die Kommission ihre Arbeit aufnahm, war klar, dass die Bauabwicklung aus den gewöhnlichen Verwaltungsabläufen ausgegliedert wurde und sorgsam vor den Blicken vermeintlich Unbefugter verborgen wurde. Die Prüfungskommission hat diese Struktur in den vergangenen Monaten Akte für Akte und Mitarbeiter für Mitarbeiter rekonstruiert. Aus deren Umfeld heißt es, man sei bisher weder auf eine konspirative Wohnung noch auf eine Geheimregistratur gestoßen. Aha.

          Und noch ein „Skandal“

          Doch nicht genug mit dieser Limburger „Ente“. Am Dienstag konnte der vormalige, von Papst Franziskus im vergangenen Oktober abgesetzte Generalvikar Kaspar in der „Süddeutschen Zeitung“ Wunderliches über sich lesen: Er sei im Jahr 2008 Generalvikar geworden, lebe in einem Reihenhaus und sei Ende Januar aus dem Domkapitel ausgeschieden. Tatsächlich war Kaspar im September 2009 zum Generalvikar ernannt worden. Außerdem wäre er nie auf die Idee gekommen, in eines der Reihenhäuser zu ziehen wie die anderen Domkapitulare, sondern lebt alleine in einem freistehenden Haus, das zuvor von zwei Familien bewohnt worden war, und ist schon zum 31. Dezember aus dem Domkapitel ausgeschieden.

          Doch warum sich mit lächerlichen Details wie Jahreszahlen aufhalten, wenn der Mann zusammen mit dem Bischof für einen Skandal sondergleichen geradestehen muss: Eine Stiftung, die nach dem Zweiten Weltkrieg dazu erdacht worden war, kinderreichen Familien mit zinsgünstigen Darlehen zu Wohneigentum zu verhelfen, sei zweckentfremdet und für den Bau des Bischofshauses benützt worden. Skandal!

          Die Stiftung war nie eine

          Seitdem die „Süddeutsche“ die Republik am Sonntag davon wissen ließ, ist die mediale Schnappatmungsfrequenz kaum noch zu steigern. Alleine, auch diese Nachricht ist im Kern eine Ente. Die angebliche Stiftung „St. Georgswerk“ war nie eine Stiftung, sondern ein sogenanntes Sondervermögen, das einst aus Bistumsmitteln und Spenden von Gläubigen entstanden und irgendwann dem Bischöflichen Stuhl zugeordnet worden war. Irgendwann wurde es auch nicht mehr beansprucht. Was davon in Gestalt von Immobilien, Vermögensanlagen und Darlehensforderungen übrig war, welchen Zweckbindungen es unterlag und was davon wie für die Finanzierung des Bischofshauses beansprucht wurde, ist in Limburg mittlerweile gründlich aufgearbeitet worden.

          Was daran moralisch anstößig oder gar justitiabel ist, weil möglicherweise Rechtsgeschäfte getätigt wurden, die einer Genehmigung bedurft hätten, diese aber umgangen wurde und die Geschäfte deswegen nichtig sind, wird sich weisen, sobald der Prüfungsbericht vorliegt. Sicher ist nur: Stiftungsgeld wurde weder veruntreut oder bestimmungswidrig verwendet, weil es die Stiftung nie gab. So weit, so gut. Oder auch nicht. Die nächste Ente kommt bestimmt.

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