Massiver Datendiebstahl : Tatverdächtiger nennt Ärger über Politiker als Motiv
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Die Leiterin der Abteilung Schwere und organisierte Kriminalität, Sabine Vogt und Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk informieren über die Ermittlungen im Fall des Datenangriffs auf Politiker und Prominente. Bild: dpa
Im Fall des Datenangriffs auf Politiker und Prominente hat die Polizei einen 20 Jahre alten Mann aus Hessen festgenommen – und vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt. Er ist geständig.
Der nach dem großangelegten Datendiebstahl bei Politikern und weiteren Prominenten festgenommene Tatverdächtige hat den Ermittlungen zufolge aus Ärger gehandelt. Der 20 Jahre alte Mann aus Mittelhessen habe angegeben, aus Verärgerung über öffentliche Äußerungen der betroffenen Politiker, Journalisten und Personen des öffentlichen Lebens gehandelt zu haben, teilte das Bundeskriminalamt am Dienstag in Wiesbaden mit. Er sei nicht vorbestraft, habe die Tat gestanden und arbeite mit den Behörden zusammen. Mangels Haftgründen wurde er inzwischen wieder freigelassen. Der Beschuldigte habe auch Reue gezeigt und sei möglicherweise unbedacht oder leichtfertig gewesen. Bei jüngeren Tätern erlebe man oft, dass „ein großes Nachdenken einsetzt“, wenn plötzlich die Polizei vor der Tür stehe, erklärte Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (Zit) der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.
Der Täter gab an, allein gehandelt zu haben. Bislang gebe es keine Hinweise auf Dritte, die an dem Datendiebstahl beteiligt gewesen seien, hieß es weiter. Die Wohnung des Mannes war am Sonntag durchsucht worden. Den genauen Ort teilte das BKA nicht mit. Den Angaben zufolge soll der Beschuldigte noch im elterlichen Haushalt leben und noch in einem Schulverhältnis stehen. Das BKA beschrieb ihn als „sehr computeraffin“, eine entsprechende Ausbildung habe er aber nicht. Das grundsätzliche Computer-Interesse und Zeit seien die Faktoren, die bewirkten, dass viele junge Leute ohne Informatik-Ausbildung sich solche Kenntnisse aneignen und entsprechend im Internet agieren könnten, hieß es.
Schnelle Ergreifung „zweifellos ein Erfolg“
Er hatte über das inzwischen gesperrte Twitter-Konto @_0rbit im Dezember Daten von rund 1000 aktiven und ehemaligen Politiker, Prominenten und Journalisten im Internet veröffentlicht. Manche Informationen hatte er auch schon früher ins Netz gestellt. Etwa 50 Fälle seien schwerwiegender, weil größere Datenpakete wie Privatdaten, Fotos und Korrespondenz veröffentlicht wurden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung habe man zunächst keine Hinweise auf eine politische Motivation gefunden, diese Frage sei aber noch nicht abschließend geklärt. Die Polizei beziehe in ihre Überlegungen „sowohl allgemein kriminelle sowie auch politische Motivationslagen“ mit ein, sagte der Leiter der Abteilung Cybersecurity beim Bundeskriminalamt, Heiko Löhr. Es werde auch nach wie vor geprüft, ob der Beschuldigte wirklich ganz allein gehandelt habe.
Auf die Spur des Beschuldigten kamen die Ermittler unter anderem durch die Durchsuchung einer Wohnung in Heilbronn und die Befragung eines 19-jährigen Zeugen. Die Erkenntnisse daraus seien „sachdienlich“ für die Identifizierung gewesen.
Die Bundesregierung will aus dem Fall Konsequenzen ziehen und die Cyber-Sicherheit verbessern. Dazu soll in den nächsten Monaten unter anderem ein „Cyber-Abwehrzentrum plus“ geschaffen werden.
Die schnelle Ergreifung des geständigen Beschuldigten sei „zweifellos ein Erfolg“ und zeige, dass eine „effektive Strafverfolgung im Netz durchaus möglich“ sei, erklärte der stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz am Dienstag. „Verheerend wäre der Eindruck, dass man mit einem solchen Aufwand nur tätig wird, wenn Politiker, Journalisten und Prominente betroffen sind.“
Der jüngste Vorfall ein „allerletzter Warnschuss“ angesichts „gänzlich neuer Bedrohungslagen“, so von Notz, der eine Verbesserung der Strafverfolgung im Digitalen forderte. „Als digitale Gesellschaft müssen wir dem Grundrechtsschutz, der Erhöhung der IT-Sicherheit und der Stärkung digitaler Infrastrukturen höchste politische Priorität einräumen."
Die Leiterin der Abteilung Schwere und Organisierte Kriminalität im Bundeskriminalamt, Sabine Vogt, rief zu Vorsicht mit persönlichen Daten im Internet auf. Jeder sei gefordert, seine eigenen Maßnahmen zu treffen und beispielsweise möglichst sichere Passwörter zu wählen. Einige Bundestagsabgeordnete, die ausgespäht worden waren, hatten sich am Dienstag schon neue Handynummern zugelegt.