Völkerstrafrecht : Syrische Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland angeklagt
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Das Bild des Machthabers: Baschar al Assad an einer Hauswand in Douma Bild: Reuters
Erstmals sollen zwei syrische Geheimdienstmitarbeiter in Deutschland vor Gericht gestellt werden und sich für die brutalen Foltermethoden des Assad-Regimes verantworten.
Zwei mutmaßliche frühere Mitarbeiter des syrischen Geheimdienstes müssen sich wohl demnächst in Deutschland vor Gericht verantworten. Die Bundesanwaltschaft teilte am Dienstag mit, dass sie Anklage gegen die beiden Syrer vor dem Oberlandesgericht Koblenz erhoben habe. Anwar R. werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen, Mord in 58 Fällen, Vergewaltigung und schwere Nötigung. Der zweite Mann, Eyad A., soll Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben. Hintergrund sind die Aktivitäten des syrischen Geheimdienstes zu Beginn der Protestbewegung gegen Machthaber Baschar al Assad.
Die beiden Männer gehörten den Ermittlungen zufolge zur Abteilung 251 des Geheimdienstes, die für die Sicherheit im Raum Damaskus zuständigen war. R. war Leiter der Einheit und führte ein angeschlossenes Gefängnis. Zwischen April 2011 und September 2012 sollen dort mindestens 4000 Gefangene unter brutaler und massiver Folter durch die Geheimdienstmitarbeiter vernommen worden sein. Mindestens 58 Menschen starben den Ermittlungen zufolge an den Folgen der Misshandlungen.
Die Männer waren schon im Februar in Berlin und Rheinland-Pfalz festgenommen worden. Sie hatten Syrien kurz nach Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2012 verlassen. Ein weiterer Mitarbeiter R.s war damals in Frankreich festgenommen worden. Anwar R. hatte die Ermittler nach F.A.Z.-Informationen selbst auf seine Spur gebracht - nach seiner Flucht fühlte R. sich offenbar selbst vom langen Arm Assads bedroht und wandte sich an die deutsche Polizei. In Ermittlerkreisen ist man jedoch überzeugt, dass man auch so auf R.s Spur gekommen wäre, denn die Bundesanwaltschaft führt schon seit Beginn der Protestbewegung gegen Assad ein „Strukturermittlungsverfahren“, um Hinweise auf völkerstrafrechtlich relevante Verbrechen zu sammeln. Viele Informationen gewannen die Ermittler durch syrische Flüchtlinge, die nach Deutschland gekommen waren.
Die brutalen Foltermethoden des Regimes
Die Bundesanwaltschaft gibt in ihrer Anklage tiefe Einblicke in die sadistischen Foltermethoden des Regimes: Schläge mit Fäusten, Rohren, Kabeln und Peitschen standen auf der Tagesordnung, dazu Elektroschocks. Einige Gefangene sollen an ihren Handgelenken so an der Decke aufgehängt worden sein, dass ihre Zehenspitzen gerade noch den Boden berührten. Auch in dieser Position sollen Anwar Rs. Mitarbeiter ihre Häftlinge weiter geschlagen haben. Weitere Mittel waren Drohungen, nahe Angehörige zu misshandeln, und gewaltsamer Schlafentzug. In zumindest einem Fall soll es auch zu einer Vergewaltigung gekommen sein. Durch die systematischen physischen und psychischen Misshandlungen sollen Geständnisse erzwungen und versucht worden sein, weitere Informationen über die Oppositionsbewegung zu bekommen.
Auch außerhalb der Vernehmungen seien die Inhaftierten willkürlichen körperlichen Misshandlungen der Wärter ausgesetzt gewesen, schreibt die Bundesanwaltschaft. In dem Gefängnis hätten unmenschliche und erniedrigende Bedingungen geherrscht. Die Zellen seien überfüllt gewesen, sodass sich die Häftlinge oft weder setzen noch hinlegen konnten. Anwar R. war nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft als Leiter der Ermittlungseinheit für die Arbeitsabläufe in dem Gefängnis verantwortlich und damit auch für den systematischen und brutalen Einsatz der Foltermethoden. Ihm soll bewusst gewesen sein, dass Häftlinge aufgrund der massiven Gewalteinwirkungen starben.
Der zweite Mann, Eyad A., soll in einer Unterabteilung beschäftigt gewesen sein, die der Ermittlungseinheit zuarbeitete. Im Herbst 2011 soll er die Folterung und Freiheitsberaubung von mindestens 30 Menschen ermöglicht haben, nachdem die Sicherheitsbehörden im Damaszener Vorort Douma eine Demonstration gewaltsam aufgelöst hatten. Eyad A. und andere Geheimdienstmitarbeiter sollen die fliehenden Demonstranten verfolgt haben. Viele, die nicht entkamen, sollen in das von Anwar R. geleitete Gefängnis gebracht worden sein. Die Bundesanwaltschaft hat zudem ermittelt, dass Eyad A. den Transport in einem der Busse begleitete.
Nun muss das Oberlandesgericht Koblenz entscheiden, ob es die Anklage zulässt. Nach Angaben des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) wäre es weltweit der erste Strafprozess wegen Staatsfolter in Syrien.