Studie zum Gemeinsinn : Gesellschaftlicher Zusammenhalt gut aber gefährdet
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Eine Schulklasse aus der bayerischen Stadt Hof Bild: dpa
Die meisten Deutschen stufen ihr eigenes Umfeld als sozial und solidarisch ein. Es gibt aber große regionale Unterschiede. Die haben vor allem mit einem Umstand zu tun.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland ist einer Studie zufolge stark und größer als weithin vermutet. Auch die wachsende kulturelle Vielfalt schwächt den Gemeinsinn nicht, wie aus einer am Montag in Gütersloh veröffentlichten Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hervorgeht. Armut, eine überalterte Bevölkerung und geringe Chancen zur Teilhabe können demnach aber das Miteinander gefährden. Zudem ist der Zusammenhalt im Osten der Studie zufolge durchgängig schwächer als im Westen, unter anderem wegen des geringeren Wohlstandes.
Auf einer Skala von null bis hundert Punkten erreichen alle deutschen Bundesländer bei der Bewertung des Zusammenhalts zwischen 57 und 63 Punkte. Dennoch geben drei Viertel der Befragten an, der gesellschaftliche Zusammenhalt sei nach ihrem Eindruck zumindest teilweise gefährdet. Gleichzeitig schätzen bundesweit mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Bürger den Zusammenhalt in ihrem eigenen Umfeld als gut ein, nur knapp sieben Prozent halten ihn für schlecht.
„Die konkreten Alltagserfahrungen der Menschen sind besser als das, was sie für das gesamte Land vermuten – oder was ihnen öffentliche Debatten dazu spiegeln“, erklärte Stephan Vopel von der Bertelsmann-Stiftung. Gefährdet wird der Zusammenhalt demnach durch die in der Bevölkerung wahrgenommene Gerechtigkeitslücke und die deutliche Spaltung, die sich beim sozialen Miteinander zwischen Ost und West sowie zwischen strukturschwachen und prosperierenden Regionen auftut.
Bei der Bewertung des Zusammenhalts stehen drei Bundesländer an der Spitze: das Saarland, Baden-Württemberg und Bayern. Am Ende der Rangliste stehen Berlin und alle ostdeutschen Länder – Schlusslicht ist Sachsen.
Hohe Akzeptanz für gesellschaftliche Vielfalt
Wie die Studie zeigt, spielt es für den Zusammenhalt keine Rolle, wie viele Ausländer und Migranten in einer Region oder einem Bundesland leben. Bundesweit akzeptieren die Menschen demnach gesellschaftliche Vielfalt in einem hohen Maß. Der Indexwert liegt hier bei 79 Punkten.
Deutlich schlechtere Werte ermittelt die Studie für das Gerechtigkeitsempfinden. Nur ein sehr kleiner Teil der Befragten ist der Meinung, dass es bei der Verteilung wirtschaftlicher Güter gerecht zugeht.
Tatsächlich ist der gesellschaftliche Zusammenhalt der Studie zufolge dort geringer, wo viele Arbeitslose und arme oder von Armut gefährdete Menschen leben – das wird in den Regionen noch deutlicher als auf der Ebene der Bundesländer. Vor allem eine hohe Jugendarbeitslosigkeit gefährdet demnach den Zusammenhalt. Ähnlich negative Auswirkungen hätten ein hoher Anteil von Schulabgängern ohne Hauptschulabschluss und eine überalterte Bevölkerung.
Dagegen ist der Zusammenhalt dort höher, wo auch das durchschnittliche Wohlstandsniveau hoch ist und wo mehr Menschen gegenüber der Globalisierung positiv eingestellt sind, zeigt die Umfrage der Bertelsmann-Stiftung. Für die von der Jacobs University Bremen erarbeitete Studie befragte das Sozialforschungsinstitut Infas im Frühjahr mehr als 5000 Menschen.