„Union der Mitte“ : „Seehofer und Dobrindt standen für Spalterei und Verrohung“
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Wegen seines Kurses in der Flüchtlingspolitik auch in der eigenen Partei unter Beschuss: der Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer Bild: dpa
Stephan Bloch aus München hat die „Union der Mitte“ gegründet, weil er sich mit dem Kurs seiner CSU nicht mehr identifizieren kann. Im Interview erklärt er, warum er sich für seine Partei schämt – und wie er der CSU helfen will.
Herr Bloch, sind Sie aktuell stolzes CSU-Mitglied?
Ich vertrete Positionen, die im gesamten politischen Spektrum die größten Schnittmengen mit der CSU haben, nicht zuletzt deshalb bin ich vor elf Jahren eingetreten. Generell bin ich kein Fan des Begriffs „Stolz“ – jedenfalls dann nicht, wenn neben der Identifikation mit einer Sache auch eine gewisse Verbohrtheit einhergeht. Ich habe eine liberal-konservative und gleichzeitig sozial geprägte Ader. Dafür stehe ich ein. Wenn Sie fragen, ob ich aktuell auf die Außenwirkung der CSU stolz bin, dann muss ich leider mit „Nein“ antworten. Populistische Parolen und die ewige Suche nach Schuldigen sind mir peinlich. Was wir brauchen, sind sachliche Debatten und fairer Dialog.
Sie sagen, die CSU leide unter den aktuellen Bundesverantwortlichen – wieso?
Vor allem Horst Seehofer und Alexander Dobrindt standen zuletzt für Streit, Spalterei und sprachliche Verrohung, auch Markus Söder hat sich inakzeptabler Ausdrücke bedient. In der CSU prägen derzeit kleine, aber sehr laute Teile das Image der Partei. Das deckt sich mit nicht den Grundwerten unserer Politik – der Großteil unserer Mitglieder sieht unsere politische Aufgabe darin, die Wünsche, Sorgen und Nöte der Menschen in unserer Gesamtgesellschaft zu begegnen. Als bisher schweigende oder zu stumme Mitte unserer Partei melden wir uns jetzt zu Wort.
Sie haben deshalb die Mitgliederinitiative „Union der Mitte“ ins Leben gerufen. Was steckt dahinter?
Nur eine geeinte Union als Volkspartei der Mitte kann die vorherrschenden inner- und überparteilichen Konflikte, die sich maßgeblich auf das Flüchtlingsthema konzentrieren, überwinden. Die „Union der Mitte“ ist eine Initiative, die sich einem Masterplan für die Zukunft widmen will. Wir müssen weg von vermeintlichen Problemen, welche den Menschen eingeredet werden. Wir müssen hin zu den wirklichen Nöten, Wünschen und Bedürfnissen der Bürger: Digitalisierung, Infrastruktur, Wohnungsbau, bezahlbare Mieten, Breitband, Verkehr. Diese Themen fallen alle in die Zuständigkeit der CSU-Ministerien auf Bundesebene. Diskutiert wurde stattdessen leider fast ausschließlich über Migration. Wir an der Basis, unsere Bürgermeister und Lokalpolitiker, die ganz nah an den Menschen sind, wissen, dass die Bürger ganz andere Fragen bewegen.
... nämlich?
Wie bekommen wir gerechtere Bildungschancen mit Inklusion, wie sichern wir die Rente, wie die Versorgung auf dem Land? In einigen Gegenden gibt es kaum noch Ärzte, Sparkassen- oder Postfilialen, von Einkaufsmöglichkeiten ganz zu schweigen. Hier muss sich etwas ändern, schnell ändern, ansonsten verlieren wir das Vertrauen der Menschen – und das wäre schädlich für unsere Demokratie. Unsere Mitstreiter sind sich einig, dass der aktuelle Kurs der CSU in vielen Bereichen nicht zu einer zukunftsorientierten Volkspartei passt.
Wie steht es um den Heimatbegriff?
Ich halte es da mit Franz-Josef Strauß: „Bayern ist unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland, Europa unsere Zukunft“. Eine Politik gegen Europa sollten wir uns in Bayern, dem Land im Herzen in Europas, nicht leisten wollen. Und das spaltet unsere Partei nachhaltig: Schon bevor die öffentliche Debatte mit inakzeptablen Begriffen wie „Asyltourismus“ vergiftet wurde, haben wir auf vorletzten großen Parteitag sogar öffentlich gefragt, ob wir Angela Merkel als Kanzlerin unterstützen wollen. Das war für mich überhaupt keine Frage – die Unionsparteien gehören für mich untrennbar zusammen. Punkt. Auch die Debatte über die „Ausländermaut“ hat bereits den schleichenden Prozess in unserer Partei gezeigt. Wir entfernen uns aus meiner Sicht immer weiter von den Werten, für die ich vor elf Jahren eingetreten bin. Daher müssen gegen die Verrohung der Sprache ankämpfen und die aktuelle Debatte entpolarisieren. Mehr Sachlichkeit ist angesagt.