Lübcke-Prozess : „Der hat immer so aufgestachelt“
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Markus H. am Freitag im Gericht. Bild: dpa
Im Lübcke-Prozess belastet Stefan E. den wegen Beihilfe angeklagten Markus H. schwer – und befeuert Gerüchte, wonach H. für den Verfassungsschutz gearbeitet haben könnte.
Nach einem weiteren Verhandlungstag im Prozess zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke stellen sich abermals Fragen nach der Rolle der Sicherheitsbehörden, vor allem im Umgang mit dem wegen Beihilfe zum Mord angeklagten Markus H. Sie ergeben sich aus einer Vernehmung, deren Aufzeichnung das Oberlandesgericht Frankfurt am Freitag weiter abspielte. Das Video zeigt Stephan E., den Hauptangeklagten des Verfahrens. Anfang des Jahres wollte er sich noch einmal äußern; sein erstes Geständnis hatte er da schon widerrufen und fortan geschildert, Markus H. habe Walter Lübcke versehentlich erschossen.
In der Aufnahme schildert E. ausführlich, welche entscheidende Rolle H. gespielt habe. Dann befragt ihn sein Anwalt, Frank Hannig, zu H.s Rolle innerhalb der rechten Szene; E. habe ihm erzählt, dass er H. gegenüber immer „misstrauisch“ gewesen sei. E. bejaht das und fügt hinzu, die ganze Szene habe dieses Misstrauen gehegt. H. habe zwar immer gesagt, man müsse „das und das“ machen, sich tatsächlich aber zurückgehalten. Auf die Frage seines Anwalts, ob er gedacht habe, dass H. für „irgendeinen Geheimdienst“ arbeite, sagt E.: „Ja, das hab ich auch vermutet.“ Markus H. habe „immer so aufgestachelt“, dann aber nichts gemacht.
H. sollte als V-Mann angeworben werden
E.s Aussagen sind an vielen Stellen erkennbar davon gezeichnet, H. zu belasten. Der Umgang des Verfassungsschutzes mit beiden Angeklagten wirft allerdings schon seit langem so viele Fragen auf, dass sich im Hessischen Landtag inzwischen ein Untersuchungsausschuss konstituiert hat. Er soll aufklären, warum die Sicherheitsbehörden E., der ihnen seit den neunziger Jahren als gewaltbereiter Neonazi bekannt war und laut einem Aktenvermerk noch 2009 als „brandgefährlich“ galt, von 2013 an als „abgekühlt“ behandelten.
Auch der Umgang mit H. wird Gegenstand des Untersuchungsausschusses sein, denn auch er ist den Sicherheitsbehörden seit den neunziger Jahren bekannt. Ende Mai berichtete der NDR, der hessische Verfassungsschutz habe im Jahr 1998 zwei Treffen organisiert, bei denen Markus H. als V-Mann angeworben werden sollte. Aus entsprechenden Dokumenten des Landesamts gehe hervor, dass H. dies ablehnte. In einem Internetportal hatte H. selbst angegeben, dass auch der Militärische Abschirmdienst ihn anwerben wollte, dazu sind aber weder entsprechende Unterlagen bekannt, noch hat der Nachrichtendienst den Vorgang bestätigt.
Zuletzt war bekanntgeworden, dass H. sich im Jahr 2015 nur deshalb vor Gericht eine Waffenbesitzkarte erstreiten konnte, weil der Landesverfassungsschutz Erkenntnisse zu seinen rechtsextremistischen Umtrieben der Waffenbehörde nicht gemeldet hatte. Auf Nachfragen zu Anwerbeversuchen des Landesverfassungsschutzes reagierte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) mehrmals ausweichend. Eine Tätigkeit sowohl E.s als auch H.s für den hessischen Verfassungsschutz verneinte Beuth aber ausdrücklich.