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Mangelhafte Infrastruktur : Wohin die Milliarden fließen sollten

Oft in schlechtem Zustand: Ein Schulgebäude in Bayern Bild: Rainer Wohlfahrt

Gleise, Brücken und Schulen zerbröseln, das Ansehen der Parteien aber auch. Deutschland braucht wieder mehr Wettbewerb um die besten Investitionen für seine Zukunft.

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          Der deutsche Staat bekommt von den Bürgern viel Geld anvertraut. Mehr als 674 Milliarden Euro kamen vorletztes Jahr bei Bund, Ländern und Gemeinden in die Steuerkassen. Sie konnten ausgegeben werden für soziale Leistungen, innere Sicherheit, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur. Auch für Schuldendienste. Weil es gut läuft, steigen die Einnahmen weiter, Jahr für Jahr. Der aktuelle Bundeshaushalt beträgt 370 Milliarden Euro, 27 mehr als im vorigen Jahr. Milliarden! Großartig! Vor allem, wenn man die klammen Verhältnisse in einigen Nachbarländern betrachtet.

          Trotzdem sehen unsere Straßen schlechter aus als in Frankreich, unsere Flughäfen wirken armselig im Vergleich zu spanischen. Warum können unsere Kitas und Schulen schon äußerlich nicht mit Schweden oder Finnland konkurrieren? Warum arbeitet unser Internet nur halb so schnell und gut wie das in Lettland oder Litauen? Und warum funktioniert in Wien der soziale Wohnungsmarkt, während man in München oder Köln Wahnsinnsmieten für das Hinterletzte zahlt? Irgendwas läuft falsch.

          Diesen Eindruck haben auch die deutschen Städte und Gemeinden. Deren Bundesverband hat Anfang der Woche erklärt, dass etwa 159 Milliarden fehlen, um die dringendsten Reparaturen oder wichtige Neubauten anzugehen. Deutschland ist reich, aber seine Infrastruktur verarmt. Das ärgert die Leute, es treibt manche in die Verzweiflung - oder hin zu autoritären Ideen.

          Nachhaltige Investitionen kommen zu kurz

          Denn das ganze Geld kommt ja bloß zusammen, weil Millionen fleißige Frauen und Männer einen großen Teil ihres Verdienstes für Gemeinschaftsaufgaben abgeben. Der Automechaniker aus Amberg kann die Bundesstraße nicht selbst bauen, auf der er zur Arbeit fährt. Die Eltern aus Rostock geben von ihrem Geld, damit die Stadt sich um eine ordentliche Schule kümmert. Auch der Schmuckhersteller aus Idar-Oberstein gibt eine Menge seiner Einkünfte an den Staat, damit im Falle eines Falles die Bundeswehr oder das Technische Hilfswerk kommen. Oder doch zumindest die Feuerwehr. Oft werden die Erwartungen enttäuscht, zu oft. Denn die Regierungskoalitionen hatten in den vergangenen Jahren häufig kurzfristige Erwägungen im Blick und seltener die mittlere Zukunft. Die Neigung gab es immer schon, doch meistens siegte die Vernunft.

          Da hat sich etwas verschoben. Deshalb wurde jahrelang zu wenig in die Bahn investiert, stattdessen in kurzfristig wirkende Alimente für einzelne Wählergruppen. Das rächt sich nun. Gleise, Brücken und Schulen zerbröseln, das Ansehen der Parteien aber auch. Der Städte- und Gemeindebund fragt sich zu recht, wie Pendler zur Arbeit kommen sollen, wenn ihr Dieselauto unter Fahrverbot steht und die Regionalbahn abgeschafft wurde? Wieso müssen Eltern selbst Klassenzimmer streichen? Warum kriecht außerhalb der Ballungsgebiete das Internet wie eine Schnecke?

          Die meisten Politiker kennen die Probleme, manche aus eigener Anschauung. Aber in der Bundespolitik und im Bund-Länder-Gerangel geht es bei der Budgetplanung offenbar mehr um Machtproporz als um die Alltagsinteressen der Bürger. Weil Bund und Länder sich blockieren, ist beim Digitalausbau wieder ein Jahr verloren gegangen. Bahn und Flughäfen sind materielle und organisatorische Krisengebiete.

          Weil die Länder es erzwungen haben, fließen die Bundesmilliarden jetzt nicht in bessere Kitas, sondern befreien die Eltern von den Gebühren. Die Wohlhabenderen legen auf das Eingesparte noch was drauf und gehen zu privaten Einrichtungen, die Ärmeren leisten Putzdienst in der Schmuddelkita. Der Städte- und Gemeindebund beklagt noch viel mehr: komplizierte Bauvorschriften etwa oder die schleppende Integration von arbeitswilligen Ausländern. Ändern wird sich das erst, wenn der Ausgabenwettstreit beim Schnellkonsum begrenzt wird und wenn es wieder mehr Wettbewerb um die besten Investitionen für Deutschlands Zukunft gibt.

          Peter Carstens
          Politischer Korrespondent in Berlin

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